Film Daten

Titel:
Peeping Tom
Originaltitel:
Peeping Tom
Land & Jahr:
England 1959
Laufzeit ca.: ?
101 Min.
Regie:
Michael Powell
Darsteller:
Karlheinz Böhm
Moira Shearer
Anna Massey
Maxine Audley
Brenda Bruce
Miles Malleson
Esmond Knight
Martin Miller
Bartlett Mullins
Michael Goodliffe
Nigel Davenport
Jack Watson
Shirley Anne Field
Pamela Green
Brian Wallace
Alternativtitel:
• Augen der Angst
• Face of Fear
• The Photographer of Panic
Weitere Infos:
IMDB  OFDB

DVD Daten

DVD Cover - Criterion
Label:
Criterion
Regionalcode / Norm:
0 / NTSC
Bild / Zeit:
1.66:1 / k.A.
Sprachen/Ton:
Englisch - DD 1.0
Untertitel:
Englisch
Extras:
  • Audiokommentar von Filmexpertin Laura Mulvey
  • Dokumentation: "A very british Psycho"
  • Fotogallerie
  • Trailer

Peeping Tom

(Ein Review von Carsten Henkelmann)

Eine dunkle Straße, es ist nacht. Ein Mann bewegt sich auf eine Prostituierte zu. Bevor er sie anspricht, schaltet er seine Handkamera auf Aufnahme und filmt die nächsten Ereignisse. Sie gehen in ihre Wohnung. Als sie sich auszieht, macht er etwas mit seiner Kamera. Ihr Gesicht verzerrt sich, sie hat Angst. Die Kamera bewegt sich weiter auf sie zu, immer näher, immer unbarmherziger, ihre Angst wird schlimmer... Schnitt in die Wohnung eines Mannes. Er sitzt in einem dunklen Raum und schaut sich alleine einen Film an. Und zwar den Mord an der Prostituierten, den er selber gerade begangen hat...

Peeping Tom - ScreenshotPeeping Tom - Screenshot

"A british Psycho" ist eine der am häufigsten benutzten Bezeichnungen um diesen Film zu beschreiben. Was nicht ganz abwegig ist, sind doch Ähnlichkeiten durchaus vorhanden. Man sollte dabei allerdings beachten, daß Peeping Tom drei Monate VOR Psycho in den britischen Kinos anlief. In beiden Filmen geht es um zwei junge Männer, die alleine für sich leben und ein eher gestörtes Verhältnis zum anderen Geschlecht haben. Durch die geniale Idee, die Morde durch den Blickwinkel der Kamera zu zeigen, wird der Zuschauer ungewollt in eine teilhabende Situation versetzt und kann sich nicht einer sicheren Distanz zum Geschehen wiegen. Wobei der Film natürlich nicht mit drastischen Bluteffekten arbeitet, schließlich wurde er vor knapp über 40 Jahren gedreht. Vielmehr ist es die dichte Atmosphäre und vor allem Böhms schauspielerische Leistung, die den Film zu einem bemerkenswerten Klassiker machen.

Dabei bedeutete der Film aber fast das Ende von Karlheinz Böhm und Regisseur Michael Powell. Bei seiner Veröffentlichung damals wurde er von den Kritikern zerrissen und löste durch sein Thema und seine Darstellung einen Skandal aus. Es wird zwar nur angedeutet, mehr ließ die damalige Zeit nicht zu, aber nicht das Morden, sondern das spätere Betrachten der Filme löst bei Mark eine sexuelle Befriedigung aus. Somit handelt es sich wahrscheinlich um den ersten Film der Kinogeschichte, der das Thema Snuff behandelt. Powell gelang es dabei aber, den Charakter Mark Lewis nicht als ein verabscheuungswürdiges Ungeheuer aussehen zu lassen, sondern man hat vielmehr fast Mitleid mit dem jungen Mann. Erst durch die Liebe zu Helen sieht er einen Ausweg aus seiner Situation, seiner Krankheit. Aber auch diese Beziehung ist zum scheitern verurteilt. Erst Jahrzehnte später wurde dem Film die Ehre und Anerkennung zuteil, die er verdient hat und wird heute als Meisterwerk des Thrillergenres behandelt. Zwar weiß man schon sofort, wer der Mörder ist, aber es geht auch vielmehr um die Person des Mörders, seine Probleme mit der Umwelt und seine Motive.

Peeping Tom - ScreenshotPeeping Tom - Screenshot

Vor allem möchte ich auch die hervorragende Kameraarbeit würdigen. Durch geschickte Einsatz von Kamerafahrten gibt es einige längere Szenen ohne jeglichen Schnitt, und das obwohl stellenweise sogar ein ganzer Raum voller Ausrüstungsgegenstände und Regale durchquert werden muß. Was die Dreharbeiten von Peeping Tom anbelangt, gibt es einige interessante Details. Zum Beispiel wird Marks Vater in den alten Filmaufnahmen von Regisseur Michael Powell persönlich gespielt, zusammen mit seinem Sohn Columba, der Mark als Kind darstellt. Somit handelt es sich wirklich um eine richtige Familie, die da vor der Kamera steht. Als makaberen Joke spielt sogar Powells damalige Frau Frankie, also Columbas Mutter, die tote Mutter von Mark Lewis, bei der er sich am Sterbebett verabschiedet. Das Haus in dem Mark wohnt ist, sofern es sich um Außenaufnahmen handelt, Powells Haus gewesen. Drehbuchschreiber Leo Marks war im 2. Weltkrieg ein angesehener Geheimcodeknacker und der Name Mark Lewis ist eine Anlehnung an seinen eigenen Namen.

Nachdem der Film allerdings in der Pressevorführung gnadenlos verrissen wurde (Karlheinz Böhm meint in der Dokumentation "A very britisch psycho": "Nach dem Film herrschte absolute Stille im Saal. Niemand klatschte, niemand sagte etwas. Schließlich standen die Leute auf und beachteten uns nicht weiter. Niemand kam zu uns und sprach mit uns."), war es lange Zeit still um Michael Powell. Erst 10 Jahre später erfuhr er wieder Unterstützung, unter anderem von amerikanischen Regisseuren wie Martin Scorsese oder Francis Ford Coppola. Alfred Hitchcock lehnte damals für seinen Thriller Psycho eine Pressevorführung ab, "weil die Kritiker seinen Film noch mehr hassen würden", was durchaus der Wahrheit entsprach, der Schaden fiel allerdings dementsprechend gering aus.

Peeping Tom - ScreenshotPeeping Tom - Screenshot

Karlheinz Böhm, der ja durch die blumenwiesigen Sissi-Filme bekannt ist, sagte 1980 gegenüber Leo Phelix und Rolf Thissen (die Autoren von Pioniere und Prominente des modernen Sexfilms): "Ich wollte wegkommen von meinem rosaroten Marzipanschweinchen-Image der fünfziger Jahre, der Sissi- und Ärzte-Filme.". Sein Image in Deutschland war dahin, das hatte er wohl erreicht. Erst Rainer-Werner Fassbinder war in den 70ern wieder bereit, ihn in einigen seiner Filme wieder akurat einzusetzen, nachdem Rollen in ausländischen Produktionen alles andere als erfolgreich waren.

Die amerikanische DVD kommt vom Label Criterion, die eine hervorragende Arbeit geleistet haben. Das Bild ist für einen über 40 Jahre alten Film bemerkenswert gut, lediglich in ein paar kurzen Szenen machen sich dezente Schattenlinien quer durchs Bild bemerkbar, die ich aber auf das Ursprungsmaterial zurückführe und nicht auf den DVD-Transfer. Die enthaltene Dokumentation "A very british Psycho" des britischen Senders Channel 4 konzentriert sich neben dem Film vor allem auf Drehbuchschreiber Leo Marks, der zu Beginn dieses Jahres gestorben ist. Somit handelt es sich bei der Dokumentation um die letzte Beschreibung seines Lebenswerkes. Die Fotogallerie bietet nette Einblicke hinter die Kamera. Lediglich der Audiokommentar der Filmtheoretikerin Laura Mulvey, der auch schon auf der früheren Laserdisc vertreten war, enttäuscht ein wenig. Er ist sehr trocken geraten, manchmal hat man das Gefühl, sie liest aus einem Buch vor. Sie kommentiert auch nicht nur die filmischen Aspekte (dabei geht sie vor allem sehr auf die Farbgebungen ein), sondern bringt auch eine Menge an psychologischen Gesichtspunkten vor, die zwar durchaus interessant sind, aber insgesamt wirkt alles wie ein großes akademisches Referat und wird etwas langweilig auf Dauer. Ebenfalls enthalten ist der original Trailer, der den Film übertrieben reißerisch darstellt.

Peeping Tom - ScreenshotPeeping Tom - Screenshot
Autor: Carsten Henkelmann
Film online seit: 27.02.2001
Letzte Textänderung: 22.01.2004

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