Film Daten

Titel:
In A Glass Cage
Originaltitel:
Tras el cristal
Land & Jahr:
Spanien 1986
Laufzeit ca.: ?
100 Min.
Regie:
Agustin Villaronga
Darsteller:
Günter Meisner
David Sust
Marisa Paredes
Gisèle Echevarría
Imma Colomer
Josue Guasch
David Cuspinera
Ricardo Carcelero
Alberto Manzano
Weitere Infos:
IMDB  OFDB

DVD Daten

DVD Cover - Cult Epics
Label:
Cult Epics
Regionalcode / Norm:
0 / NTSC
Bild / Zeit:
1.85:1 / k.A.
Sprachen/Ton:
Spanisch - Dolby Surround
Untertitel:
Englisch
Extras:
  • Interview mit Agustin Villaronga
  • Booklet mit Liner Notes

In A Glass Cage

(Ein Review von Carsten Henkelmann)

Seit einem mißglückten Selbstmordversuch ist der ehemalige Nazi Klaus (Günter Meisner) auf eine eiserne Lunge angewiesen. Er lebt zusammen mit seiner Frau Griselda (Marisa Paredes) und seiner Tochter Rena (Giséle Echevarría) im Exil in Spanien. Durch seine Lage leben sie in völliger Isolation in einer großen Villa, ihr einziger Kontakt nach draußen ist eine dreimal pro Woche vorbeikommende Haushälterin. Eines Tages erscheint plötzlich der junge Angelo (David Sust) und bietet seine Dienste als Krankenpfleger an. Griselda ist dagegen, aber Klaus möchte den Jungen unbedingt im Haus behalten. Das rächt sich einige Zeit später, denn von irgendwoher weiß Angelo von der Nazivergangenheit des Kranken und dreht das Spiel um. Er steigert sich in einen Rausch von Gewalt und Sadismus, während Klaus hilflos den brutalen Taten Angelos zuschauen muss...

In A Glass Cage - ScreenshotIn A Glass Cage - Screenshot

In A Glass Cage ist, sofern man sich emotional darauf einlässt, ein enorm verstörender Film. Oberflächlich betrachtet handelt es sich um einen Psychothriller, aber im Grunde genommen ist es ein wahrer Horrorfilm. Das der Film nicht gerade leicht verdaulich ist, wird schon mit dem Anfang klar. Klaus befindet sich in einem Kellergemäuer, vor ihm hängt an den Händen gefesselt ein nackter Junge von der Decke mit deutlichen Verletzungen am ganzen Körper. Klaus nähert sich ihm, erkennt das der Junge noch lebt und erschlägt ihn mit einem Brett. Darauf erklimmt er die Spitze eines Turmes der Villa und ist bereit sich in den Tod zu stürzen. Zwar sieht man die vollzogene Gewalt nicht, aber durch die düsteren Bilder und der eingefangenen Stimmung wird schnell klar, dass hier tiefste menschliche Abgründe aufklaffen. Darauf folgen die Anfangscredits, die Fotografien aus KZs zeigen, während eine zarte Kinderstimme ein Liedchen anstimmt. Auch wenn das Lied vielleicht eine beruhigende Stimmung entfaltet, so wird diese von den Fotos wieder erdrückt.

Im Verlauf der Handlung wird dann aufgezeigt, wozu Menschen in der Lage sein können. Angelo ist fasziniert, gar sexuell erregt von den Nazi-Experimenten von Klaus, die der während des 2. Weltkriegs an vielen Jungen durchführte. Auch hier wirkt wieder das Prinzip, dass man gar nichts sehen muss, um von dem Film auf eine gewisse Art und Weise abgestoßen zu werden. Angelo liest aus dem Tagebuch vor und allein der Gedanke an die Taten hinterläßt beim Zuschauer schon ein flaues Gefühl im Magen. Später steigert sich das noch weiter bis zu einem der wohl grausigsten Morde der Filmgeschichte. Im übrigen eine der wenigen Szenen, wo die Gewalt einmal bildlich eingefangen wurde.

In A Glass Cage - ScreenshotIn A Glass Cage - Screenshot

Ein Hauptgrund warum der Film so schwer wiegt, dürfte sicherlich derjenige sein, dass sich alle Gewalt, bis auf eine Ausnahme, gegen Kinder richtet. Wenn sich Erwachsene in einem Horror- oder Actionfilm gegenseitig zerfleischen hat das bei weitem nicht die Wirkung wie es hier der Fall ist. Und die meisten Filme schaffen es auch nicht eine derart düstere, schon fast klaustrophobische Atmosphäre zu schaffen, wo selbst leichte Anflüge von Humor den Zuschauer kaum zum Schmunzeln anregen. Der größte Teil der Handlung passiert in der Villa, was den Film, gerade in dem Zimmer von Klaus, schon fast zu einem Kammerspiel werden läßt. So wird aber die erdrückende Stimmung des Films noch unterstützt. Das Haus und seine Bewohner sind ein eigener Mikrokosmos, in dem normale Gesetze und Verhaltensweisen ab einem bestimmten Punkt nicht mehr gelten.

Kurz bevor der Zuschauer mit Angelo vertraut gemacht wird, beschreibt ihn die aufgeregte Haushälterin Griselda als "the devil himself", der Teufel höchstpersönlich. Als Griselda dann endlich Zutritt zu dem Krankenzimmer ihres Mannes findet, steht ihr ein schon fast knabenhafter Jünglich gegenüber, der sich höflich und zuvorkommend um eine Stelle als Krankenpfleger bewirbt. Griselda kann ihn von Anfang an nicht leiden, aber aus irgendeinem Grunde will Klaus das er bleibt. Auch wenn Griselda mit ihrem Mißtrauen vielleicht Recht hat, so ist es doch kaum zu glauben, welche Finsternis sich hinter der scheinbar harmlosen Oberfläche Angelos verbirgt. Die vielleicht gerade mal 15 oder 16-jährige Rená sieht in ihm jedenfalls eine willkommene Abwechslung in dem Haus und ihrem langweiligen Leben. Auch wenn es nie direkt zu sehen ist, so

In A Glass Cage - ScreenshotIn A Glass Cage - Screenshot

Erzählt wird die Geschichte in ruhigen Bildern, der Hauptaugenmerk liegt eindeutig auf der Charakterisierung der einzelnen Personen. Das mag dem einen oder anderen vielleicht zu langweilig erscheinen und das dürfte auch das Hauptproblem des Films für viele sein. Wenn man nämlich nicht bereit ist, sich emotional von diesem Film gefangen zu nehmen und sich in aller Ruhe der Geschichte und den Bildern widmet, wird der Film auch nicht seine volle Wirkung entfalten können. Auf der technischen Seite gibt es nicht viel zu bemängeln. Die schauspielerischen Leistungen sind allesamt sehr gut. Und vor allem die tolle Kameraarbeit von Jaime Peracaula muss ich hervorheben. Des öfteren beginnt die Kamera auf einer Position auf der Höhe eines Schauspielers, folgt diesem dann parallel zu seinem Ziel, allerdings auf einem etwas anderen Wege, an Treppengeländer oder Einrichtungsgegenständen vorbei. Dominiert wird das Bild in den Nachtszenen von einem kühlen, düsteren Blau, dass nur ab und zu von einigen anderen Farben durchbrochen wird. Hier hat man manchmal fast das Gefühl, dass ein Mario Bava an der Ausleuchtung beteiligt war. Die Musik von Javier Navarrete unterstreicht dann noch das Gesamtbild des Filmes.

Die Arbeiten von Regisseur Agustín Villaronga sind noch recht überschaubar. Nur selten saß er mal im Regiestuhl und drehte Werke wie El Niño de la luna (Moon Child), der von der Musik von Dead Can Dance begleitet wurde, El Mar (Das Meer) oder Aro Tolbukhin. En la mente del asesino (Aro Tolbukhin in the Mind of a Killer), allesamt keine leicht verdauliche Kost. Günter Meisner war mir nicht groß bekannt. Er kann zwar auf eine umfangreiche und auch internationale Filmographie zurückblicken, aber größtenteils waren das immer nur Nebenrollen, selbst in deutschen Produktionen. Ab den 80er Jahren war er dann auch in mancher deutschen TV-Serie wie Tatort zu sehen. Über David Sust gibt es ebenfalls nicht viel zu berichten, dafür aber über Marisa Paredes. Die ist bis heute noch aktiv und war unter anderem in El Espinazo del Diablo (The Devils Backbone), Pedro Almodóvars Todo sobre mi madre (Alles über meine Mutter) und Tacones lejanos (High Heels - Die Waffen einer Frau) oder La Vita è bella (Das Leben ist schön) zu sehen.

In A Glass Cage - ScreenshotIn A Glass Cage - Screenshot

Der Film war meines Wissens nach nie in Deutschland veröffentlicht worden. Ich konnte ihn jetzt auch nur kennenlernen, weil das auf surreale Filme spezialisierte US-Label Cult Epics ihn als erste auf einer DVD herausbrachten. Leider wird die DVD dem Film in keinster Weise gerecht. Es scheint sich nicht um eine aufwendige Abtastung zu handeln, sondern vielmehr um eine Normkonvertierung aus einer PAL-Quelle. Daraus resultierende Bewegungsunschärfen konnte ich selbst auf normaler Entfernung zum Fernseher erkennen. Außerdem ist das Bild insgesamt viel zu dunkel. Gerade im Finale kann man in den dunklen Räumen der Villa manchmal nur ahnen statt sehen was da eigentlich passiert. Die Farben könnten ebenfalls etwas kräftiger sein und Kontrast sollte man über den Fernseher auch lieber dazudrehen. Besitzer eines Widescreen-Fernsehers werden sich zudem noch darüber ärgern, dass die DVD nicht anamorph kodiert wurde. Der spanische Originalton bietet keinen großen Anlass zur Kritik, sticht allerdings auch nicht durch besondere Merkmale hervor. Die Untertitel kann man aber wenigstens gut lesen und heben sich von dem Hintergrund ab. An zwei Stellen sind sie nur für Sekundenbruchteile sichtbar, da scheint es sich um einen Fehler beim Authoring der DVD zu handeln.

An Extras gibt es lediglich ein etwas seltsam gedrehtes Interview mit dem Regisseur Villaronga. Bei der Beantwortung der ersten Frage ist er links halb abgeschnitten, während bei den nächsten Fragen die Kamera richtig justiert wurde. Das Interview dauert auch nur 9 Minuten und erscheint mir auch recht amateurhaft zusammengeschnitten. Allerdings vermittelt er ein paar interessante Informationen zum Film und zu den Dreharbeiten. Ansonsten gibt es noch ein dünnes Falt-Booklet mit Liner Notes. Insgesamt also eine recht schwache Vorstellung der DVD. Wäre der Film darauf nicht auf seine Art und Weise so einzigartig, so würde ich eine klare Absage an diese Scheibe stellen. Ob für den Interessierten der doch etwas hohe Preis gerechtfertigt ist, mag jeder für sich selber entscheiden. Derweil bleiben wir in der Hoffnung, dass vielleicht irgendwann eine Scheibe erscheint, die den Film in einer angemessenen digitalen Form präsentiert.

Autor: Carsten Henkelmann
Film online seit: 15.10.2003

© 1998 - 2024: Sense of View / Carsten Henkelmann