Film Daten

Titel:
Von Angesicht zu Angesicht
Originaltitel:
Faccia a faccia
Land & Jahr:
Italien / Spanien 1967
Laufzeit ca.: ?
112 Min.
Regie:
Sergio Sollima
Darsteller:
Tomas Milian
Gian Maria Volonté
William Berger
Jolanda Modio
Gianni Rizzo
Carole André
Ángel del Pozo
Aldo Sambrell
Nello Pazzafini
José Torres
Frederico Boido
Alternativtitel:
• Halleluja, der Teufel läßt schön grüßen
• Halleluja, der Teufel läßt Euch grüßen
• Zwei für ein Halleluja
• Zwei links, zwei rechts und Halleluja!
• Cara a cara
Weitere Infos:
IMDB  OFDB

DVD Daten

DVD Cover - Koch Media
Label:
Koch Media
Regionalcode / Norm:
2 / PAL
Bild / Zeit:
2.35:1 (anamorph) / 106:45
Sprachen/Ton:
Deutsch - DD 2.0
Italienisch - DD 2.0
Untertitel:
Deutsch, Englisch
Extras:
  • Featurette "Sergio Sollima - Face To Face"
  • Kinotrailer (dt./amerik./textless)
  • Vorspann (dt./engl./textless)
  • Super 8-Fassung (2 Teile, je 15 Min.)
  • Fotoroman (frz. Text)
  • Bildergalerie
  • Drehorte (damals & heute)
  • 5 weitere Italowestern-Trailer

Von Angesicht zu Angesicht

(Ein Review von Frank Meyer)

Der todkranke Geschichtsprofessor Fletcher (Gian Maria Volonte) verlässt seinen Lehrstuhl und zieht von Boston nach Texas, um im warmen Klima der Südstaaten seine Lunge zu kurieren. Dort gerät er durch einen Zufall in die Hände des berüchtigten Beauregard "Beau" Bennett (Tomas Milian), dem es dank des unvorsichtigen Verhaltens von Gutmensch Fletcher gelingt, dem Gefängnis zu entgehen. Doch schon bald finden sie sich in einer Situation wieder, in der sie auf einander angewiesen sind, um zu überleben - der mit seiner Rolle als Geisel hoffnungslos überforderte Intellektuelle ebenso wie der auf der Flucht schwer verletzte Bandit. Aber je länger der gemeinsame Weg, desto mehr sind sie gezwungen, sich mit den Motiven und Beweggründen des jeweils anderen auseinanderzusetzen. Und so wird diese Begegnung ihrer beider Leben von grundauf verändern...

Von Angesicht zu Angesicht - ScreenshotVon Angesicht zu Angesicht - Screenshot

Der mittlere Teil der Italowestern-Trilogie von Sergio Sollima, wieder mit Tomas Milian in der Hauptrolle. Aber anders als in Der Gehetzte der Sierra Madre (La resa dei conti, 1966) und Lauf um dein Leben (Corri, uomo, corri, 1967) verkörpert er hier nicht den Cuchillo-Charakter, sondern einen weitaus ernster angelegten Gesetzlosen, dem Sollima mit der Figur des Brad Fletcher einen der ungewöhnlichsten Gegner gegenüberstellt, den der Wilde Westen je gesehen hat. Ein Bandit und ein lungenkranker Professor, zwei Charaktere wie sie nun wirklich unterschiedlicher kaum sein könnten, liefern sich ein Duell der anderen Art, in dem es weniger um die schnelle Hand am Colt geht, sondern eher psychologische Shootout-Qualitäten gefragt sind. Pistolenkugeln nützen wenig, wenn Weltbilder und Ansichten über die grundsätzliche Natur des Menschen aufeinander treffen.

Im ersten Augenblick mag man jetzt ja naserümpfenderweise denken: Eine sozilogische Wesensstudie im Westerngewand? Kann sowas denn gut gehen? Ja, es kann! Und das vermutlich deshalb, weil hier nicht ein überambitionierter Jungfilmer mit zuviel Nitzsche und Rousseau als Bettlektüre am Werk gewesen ist, um seine achso tiefgründige Botschaft an den Mann zu bringen, sondern ein Regisseur der es versteht, auch komplexe Charaktere in den Dienst der Handlung zu stellen, nie den Unterhaltungsaspekt aus den Augen zu verlieren und zuguterletzt auch nicht mit den typischen Genrezutaten zu sparen.

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Was passiert, wenn der humanistische Denker seine Ideen an der Wirklichkeit messen muss? Würden die im Elfenbeinturm der Theorie ersonnenen Ideale der Realität überhaupt standhalten? Das ist die Frage, der Sollima in Faccia a faccia nachgeht. Ein interessantes Gedankenspiel, bei dem der Regisseur zu einem ziemlich eindeutigen Ergebnis kommt: Nicht der Mensch, sondern seine Umwelt bestimmt das Handeln.

Während Professore Fletcher mit intellektueller Überlegenheit die Ansicht vertritt, dass es jedem stets selbst überlassen bleibt, frei zwischen Gut und Böse zu wählen, folgt der pragmatisch orientierte Bennett ausschließlich seinen Instinkten und passt seinen Rechtsbegriff eher den jeweiligen Notwendigkeiten an. Dann aber darf Fletcher seinen Idealismus an der wahren Welt erproben und ihm scheinen ganz schnell die Handlungsalternativen auszugehen. Und nicht nur, dass sich seine Überzeugungen im Praxistest für ihn als weitestgehend unbrauchbar erweisen, je mehr er sich auf seine neue Umgebung einlässt, desto mehr dämmert ihn ihm, der zuvor weder das Leben noch die Liebe ausgekostet hat, der Gedanke heran, wie sehr er sich selbst in seinen Möglichkeiten beschneidet. Oder wie es der Dekan bei seinem Abschied in Boston prophetisch formuliert: "Den Erfolg muss man wollen. Sie haben immer nur alles erduldet anstatt sich zu wehren."

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Und in der Tat, die Wandlung des idealistischen Humanisten zum flammenden Prediger des Sozialdarwinismus ist ebenso grundlegend wie beeindruckend. Eine Schlüsselstelle ist hier die Szene, in der er sich Maria, die Freundin eines anderen Bandenmitglieds, mit Gewalt gefügig macht. Ein für die Entwicklung seines Charakters entscheidender Schritt, der an Bedeutung und Dramatik auch den ersten Mord noch übersteigt; denn mit der Vergewaltigung und ihren Konsequenzen lotet er seine Position innerhalb der Gemeinschaft neu aus und beginnt seinen hierarchischen Aufstieg zur Führungsperson.

Ist die Botschaft von Faccia a faccia nun gänzlich pessimistisch oder gar nihilistisch?! Zum Glück gibt es ja noch den Gegenpart Bennetts, in dem Fletchers anfänglicher Idealismus trotz allem Zweifel gesät hat und der für uns nun einen letzten Rest des Glaubens an Gerechtigkeit und humanistische Werte retten darf. Angesichts der Namensgebung hätte man vielleicht auch gleich drauf kommen können, denn irgendwie trägt Beauregard Bennett doch von Anfang an den zivilisierter klingenden Namen, während man rein vom Bauchgefühl hinter Brad Fletcher wohl eher einen Westernbösewicht vermuten würde. Und auch die wahre Natur Fletchers deutet sich schon früh an (z.B. in der Szene mit der Eidechse!).

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Sollima zählt Faccia a faccia zu seinen persönlichen Favoriten und dem kann man sich nur vorbehaltlos anschließen. Alle drei Sollima-Western sind großartig, aber dieser hier ist schon noch etwas besonderes. Anders als im amerikanischen Westen, in dem die Bedrohung traditionell von Außen kam (sei es durch böse Schurken oder kriegspfadende Indianer), ging es im Italowestern zwar von jeher um Beziehungsdramen, Konflikte im Inneren, aber Sollima trieb es auf die Spitze, in dem er den inneren Konflikt selbst zum zentralen Thema machte.

Nach dem Erfolg von Der Gehetzte der Sierra Madre stand Sollima für seinen zweiten Western mehr Geld zur Verfügung, und er hatte außerdem die Möglichkeit, komplett nach eigenen Vorstellungen und eigenem Drehbuch vorzugehen. Produziert wurde wieder von Cinecitta-Legende Alberto Grimaldi, der aber nach der ersten Sichtung des Films beinahe kalte Füße bekommen hätte, als es offensichtlich wurde, dass Faccia a faccia alles andere als ein herkömmlicher Italowestern geworden war. Dennoch erwiesen sich seine Befürchtungen unbegründet und Sollimas zweiter Wildwestausflug wurde nicht nur grandios vom Publikum aufgenommen, sondern zählt bis heute weltweit zu den bekanntesten & erfolgreichsten Italowestern überhaupt.

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Der Grundidee des Films geht ebenso wie Sollimas Überzeugung, dass oft nicht der Mensch, sondern die Bedingungen das Handeln diktieren, auf seine persönlichen Erfahrungen zu Zeiten des italienischen Faschismus zurück. Im Interview berichtet er, mehr als einmal am eigenen Leib erfahren zu haben, wie sehr die Umstände Menschen verändern können. Und es waren eben diese Erlebnisse, die wiederum seine Einstellung zu den Mitmenschen nachhaltig beeinflusst haben. So ist auch offensichtlich, welchem der Protagonisten die Sympathien des Regisseurs gehören. Es ist der von Instinkten geleitete Bennett, der ein ums andere Mal mit seinen Einschätzungen genau richtig liegt und oft nur dadurch in Problemsituationen gerät, weil er statt auf seine Intuition auf Theoretiker Fletcher hört (so z.B. wenn es um die Vertrauenswürdigkeit des verdeckten Pinkerton-Ermittlers Siringo geht). Darüberhinaus gibt uns Sollima auch gleich die Erklärung, warum es einen Unterschied macht, wenn sich ein Mann wie Fletcher so benimmt wie es zuvor Bennett getan hat...

Zitat

Annie: Du selber hast mir die Augen geöffnet. Jetzt machst Du die selben Dinge, die er gemacht hat. Aber es ekelt einen an, wenn Du es tust.
Fletcher: Wir tun beide dasselbe. Das ist richtig. Es gibt aber einen Unterschied. Ich weiß, was ich tue!

Apropos Realitätsbezüge und Siringo: Die Figur des Charlie Siringo hat wie der Regisseur zu berichten weiß ebenso historische Wurzeln wie die Pinkerton-Detektei, jene private Kopfgeldjäger-Agentur, die später verstaatlicht wurde und aus der sich dann bekanntermaßen das heutige FBI formierte. Siringo steht Sollima zufolge als Symbol für die Gerechtigkeit, was zwar angesichts dessen, dass er einen Sheriff tötet, um innerhalb der Bande anerkannt zu werden zweifelhaft erscheint, ihn aber wie schon Lee van Cleefs Corbett-Charakter in Der Gehetzte der Sierra Madre vom üblichen Kopfgeldjäger-Klischee abhebt - was sich am Schluss ja auch bestätigen soll.

Zitat

Bennett: Ich tue das, was ich für gerecht halte.
Fletcher: Gerecht? Was ist denn Gerechtigkeit? Ist Siringo gerecht - der einen Sheriff vor Deinen Augen tötet, nur um zu beweisen, dass er zu der Bande gehört? Oder ist vielleicht diese Hilfstruppe gerecht? [...] Wer ist gerecht? Es gibt keine Gerechtigkeit. Das ist etwas, was Du empfindest, wenn Du die Macht hast, die Gewalt.

Realitätsanleihen finden sich darüberhinaus im Aufgreifen des Nord-Süd-Konflikts mit dem ungleichen Paar als quasi überspitzten Prototypen des Nordstaatlers und Südstaatlers sowie in einem weiteren pikanten Detail: Zwischen den beiden Hauptdarstellern Milian und Volonte hat es wohl nicht nur laut Drehbuch mächtig geknistert. Nicht wirklich verwunderlich; denn der tendentiell anarchistische kubanische Flüchtling Milian dürfte kaum Gemeinsamkeiten mit dem von Haus aus eher dem intellektuellen Kommunismus zugetanen Volonte entdeckt haben. Die von Anfang an bestehende Antipathie habe sich schliesslich sogar zur handfesten Auseinandersetzug gesteigert. Dem scheint dieser kleine Extraschuß Realismus offensichtlich nicht geschadet zu haben!

Auch wenn Sollima in seinem zweiten Westerndrama noch mehr Akzent auf zwischenmenschliche Konflikte und entsprechende Dialoge gelegt hat, stellt er mit Faccia a faccia in Optik und Inszenierung auch ein weiteres Mal sein Händchen für effektive Bildgestaltung unter Beweis. Unvergessen bspw. die Einstellung während des großen Schlusskonflikts, in der im Vordergrund die Waffe Siringos mit dem Lauf voran im Wüstensand steckt. Ein Bild, das man so auch 1 zu 1 als Postermotiv hätte verwenden können.

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Schön, wenn man für eine Charakterstudie auch auf Charakterdarsteller zurückgreifen kann. Und hier hatte Sollima einmal mehr das Glück mit Tomas Milian (Bennett) und Gian Maria Volonte (Fletcher) zwei hervorragende Darsteller verpflichten zu können, die den Figuren ein Leben jenseits typischer Klischeecharaktere einzuhauchen verstanden.

Obwohl Volontes schauspielerische Wurzeln eher nicht im Genrekino liegen, kann man ihn trotzdem, was den Spaghetti Western angeht, als Kind der ersten Stunde bezeichnen. Er hatte nämlich (damals noch unter dem Pseudonym John Wells) als Ramón Rojo eine der tragenden Rollen in Sergio Leones Für eine Handvoll Dollar (Per un pugno di dollari, 1964). Meister Leone hielt an ihm auch in der Fortsetzung Für ein paar Dollar mehr (Per qualche dollaro in piu, 1965) fest und besetzte ihn dort als El Indio. Gut gewählt waren auch seine anderen Westernauftritte, entpuppten sich doch sowohl Damiano Damianis Töte, Amigo! (Quien sabe, 1967) und eben auch Sollimas Faccia a faccia als wahre Genre-Highlights.

Abgesehen davon spielte er in einigen Gangster- und Kriminalfilme, aber vor allem in weniger leichten Dramen. So profilierte er sich bspw. in der Rolle des politischen und wirtschaftlichen Aktivisten Enrico Mattei in Der Fall Mattei (Il Caso Mattei, 1972) von Regisseur Francesco Rosi, mit dem er auch noch eine Reihe weitere Filme drehte (u.a. Chronik eines angekündigten Todes, Christus kam nur bis Eboli, Bataillon der Verlorenen).

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Nachdem ich auf Milian und Sollima gerade erst im Review zu Der Gehetzte der Sierra Madre eingegangen bin, macht es vielleicht Sinn, sich dieses Mal neben der übrigen Besetzung etwas ausgiebiger auf Starkomponist Ennio Morricone zu konzentrieren, der die Scores zu beiden Filmen beigesteuert hat. Aber zunächst gebührt auch William Berger eine lobende Erwähnung, dessen schauspielerische Leistung als Siringo einen entscheidenden Anteil an der Geschlossenheit des Films hat, auch wenn seine Rolle deutlich im Schatten des Konflikts zwischen den beiden Hauptdarstellern steht.

Der gebürtige Österreicher kam eher zufällig und auf Umwegen zum Film, begann als Theaterschauspieler und startete seine Filmkarriere in den 60ern, wobei er insbesondere zur Hochzeit des Italowesterns zu einem der gefragtesten Genredarsteller aufstieg. So trug er seinen Teil zum Erfolg von Filmen wie Sabata (Ehi amico... c'è Sabata, hai chiuso, 1969), der Sartana-Reihe (Sartana - Bete um Deinen Tod) oder Heute ich - Morgen Du (Oggi a me... domani a te, 1968) bei. Eine seiner besten Vorstellungen, abgesehn vom vorliegenden Faccia a faccia, lieferte er in Enzo G. Castellaris spätem Italowestern Keoma (1976) ab, in dem er den Vater von Franco Nero mimte. Apropos, er spielte auch eine Minirolle in der missglückten Django-Fortsetzung Djangos Rückkehr (Django 2 - Il grande ritorno, 1987), die zwar klein aber mit das Beste am ganzen Film war.

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Eine weitere Nebenrolle in Faccia a faccia fiel auf Jolanda Modio (Maria), die man vielleicht noch aus dem sehenswerten Ein Dollar zwischen den Zähnen (Un dollaro tra i denti, 1967) mit Tony Anthony kennen könnte. Ansonsten war sie auch noch in Von Django - Mit den besten Empfehlungen (Uno dopo l'altro, 1968) oder dem weniger erbaulichen Roberto Mauri-Western Der Gefürchtete (Sartana nella valle degli avvoltoi, 1970) zu sehen. Gianni Rizzo (Williams) drehte mit Sollima bereits Der Chef schickt seinen besten Mann (Requiem per un agente segreto, 1967) bevor er nicht nur für dessen Faccia a faccia, sondern auch in Sollimas letztem Western Lauf um dein Leben (Corri, uomo, corri, 1968) vor der Kamera stand. Zu sein anderen Italowestern gehören die Sabata-Filme (Sabata, Sabata 2 und Sabata kehrt zurück), in denen er aber jeweils unterschiedliche Charaktere verkörperte. Ansonsten war er in einer Nebenrolle auch in Passolinis Decameron (Il Decameron, 1971) zu sehen. Seinen letzten Auftritt hatte der 1992 verstorbene Rizzo in Der Name der Rose (1986).

Aldo Sambrell gehörte zu den von Sergio Leone am liebsten gebuchten Nebendarstellern, war in allen Italowestern des Meisters dabei und dürfte dementsprechend Gian Maria Volonte bereits seit den ersten beiden Dollar-Filmen gekannt haben, spätestens aber vom Dreh zu Damianis Töte, Amigo! (Quien sabe?, 1967). Große Hauptrollen sprangen für ihn zwar nicht raus, aber von der Beteiligung her, ein schöner Querschnitt durch das Genre. Der von ihm in Für ein paar Dollar mehr verkörperte Charakter war übrigens der, der Sollima namentlich Pate stand für Milians Rolle in Der Gehetzte der Sierra Madre und Lauf um dein Leben: Cuchillo bzw. Cuccillo.

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Nun aber zu Morricone, dessen Name natürlich zunächst untrennbar mit dem Italowestern verbunden ist. Morricone ist wahrscheinlich der bekannteste Filmkomponist aller Zeiten und dürfte, was die Popularität betrifft, selbst Größen wie Jerry Goldsmith oder Hans Zimmer noch um Längen schlägen. Bis heute hat er zu mehr als 500 Filmen Musik beigesteuert, und wenn der 77-jährige noch ein paar Jahre weiterschreibt (oder auch nur weiterhin sollte alte Soundtracks in schöner Regelmäßigkeit recycled werden), dann wird er die 600 sicher noch voll machen.

Für Sergio Leone, den er noch von der Schule kannte, schuf er eine ganz neue Klangwelt, um den passenden Soundtrack für Für eine Handvoll Dollar zu kreieren. So ließ er die Instrumente auf für damaligen Ohren höchst eigenwillige Art und Weise die Inhalte des Genres nachempfinden. Streicher und Bläser, die peitschende Schüsse zu imitieren schienen oder galopierende Pferde vor dem inneren Auge aufziehen ließen. Dazu heulende oder bellende Stimmen, die fortan nicht nur zum Markenzeichen des Komponisten werden sollten, sondern quasi auch den überzogenen Stil des Italowesterns reflektierten. Eben etwas wilder, etwas unkonventioneller und etwas anders, als man es bisher gewohnt war.

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Zu seinen besten Arbeiten im Westernbereich, sofern man sich denn da überhaupt festlegen mag, gehören Sollimas Der Gehetzte der Sierra Madre und Faccia a faccia, Sergio Corbuccis Die gefürchteten Zwei (Il mercenario, 1968), Leichen pflastern seinen Weg (Il grande silenzio, 1968) und Laßt uns töten Companeros (Vamos a matar companeros, 1970) sowie Die Rechnung wird mit Blei bezahlt (Da uomo a uomo, 1968), Mein Name ist Nobody (Il mio nome è Nessuno, 1973) und natürlich sämtliche Leone-Filme (mit den Titelthemen zu Spiel mir das Lied vom Tod und Zwei glorreiche Halunken als Sahnehäubchen auf den Meisterstücken). Ach, und nicht zu vergessen der Score zum US-Western Ein Fressen für die Geier (Two Mules for Sister Sara, 1970).

Aber auch wenn er vor allem für seine Italowestern-Sounds bekannt ist, hat er bei weitem nicht nur hier großartige Arbeit abgeliefert. So arbeitete er praktisch mit allen großen italienischen Filmemachern von Passolini (Erotische Geschichten aus 1001 Nacht, 120 Tage von Sodom) bis Argento (Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe, Die neunschwänzige Katze, Vier fliegen auf grauem Samt, The Stendhal Syndrome) zusammen, wobei meiner Meinung insbesondere "Lullaby in Blue", das Titelthema zum mittleren Teil von Argentos Tier-Trilogie zu den echten Morricone-Highlights gehört.

In Hollywood war er u.a. für die Soundtracks zu Exorzist 2 - Der Ketzer (1977), Orca, der Killerwal (1977), Der weiße Hund von Beverly Hills (White Dog, 1982), John Carpenters Das Ding aus einer anderen Welt (The Thing, 1982) und The Untouchables - Die Unbestechlichen (1987) verantwortlich. In den 90ern folgten Wolfgang Petersens In the Line of Fire (1993) und Wolf - Das Tier im Manne (1994). Ganz zu schweigen von den unzähligen Filmen, in denen immer wieder auf einzelne bekannte Stücke Morricones zurückgegriffen wurde. Sei es nun auf Evergreens wie die Mundharmonika-Melodie und das Titelthema aus Zwei glorreiche Halunken oder auch ausgefallenere Stücke wie es Tarantino zuletzt für die beiden Kill Bill-Filme getan hat. Umso skandalöser, dass der gute Ennio tatsächlich noch auf seinen ersten Oscar warten muss. Den Grund sieht sein alter Arbeitgeber Sollima übrigens darin, dass er sein überragendes Talent einfach an zuviele Filme verschwendet hat. Da könnte möglicherweise sogar etwas dran sein.

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Kommen wir nun nach der Besprechung von Lauf um dein Leben und Der Gehetzte der Sierra Madre zum dritten Lobgesang auf die Sollima-Box von Koch Media, in der alle drei Filme plus reichlich Bonusmaterial zu Sollimas Western-Trilogie enthalten sind. Also, entschuldigt, wenn ich mich hier teilweise wiederhole. Die 4-Disc-Edition kommt im extrem noblen Schuber, der neben dem aufwändigen Digipack mit den drei Filmen plus Bonus-DVD auch noch eine abgespeckte Version von Ulrich P. Bruckners Italwestern-Lexikon Für ein paar Leichen mehr enthält, das hier den neuen Titel Leichen pflastern ihren Weg trägt. Zwar inhaltlich deutlich reduziert, dafür aber schick gebunden und im Gegensatz zur alten Fassung mit reichlich farbigen Abbildungen. Hinzu kommt ein 30-seitges Booklet, in dem auf die verschiedenen Schnittfassungen der drei Filme und sonstige Besonderheiten eingegangen wird. Alles in allem auf jeden Fall ein superschickes Package und Must-Have für Liebhaber des italienischen Westerns!

An der Bild- und Tonqualität gibt es grundsätzlich nichts zu meckern. Beides liegt für einen Film diesen Alters im oberen Bereich. Kontrast und Schärfe lassen die 30 Jahre seit Veröffentlichung fast vergessen und gravierende Ausfälle, Artefakte oder Verschmutzungen gibt es ebenfalls nicht zu beklagen. So mag man das. Da dieser Film im Gegensatz zu den anderen beiden Streifen der Box in Deutschland tatsächlich seiner Zeit ungeschnitten veröffentlicht wurde, gibt es in diesem Fall eine vollständige deutsche Synchronisation. Qualitativ geht die alte Synchro in Ordnung, auch wenn die deutsche Stimme Milians im ersten Augenblick ein klein wenig gewöhnungsbedürftig sein mag. Freunden von Originalversionen steht wie schon bei den anderen beiden DVDs auch hier die italienische Tonspur mit optionalen Untertiteln zur Verfügung.

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Bei allem wohlverdienten Lob muss sich Koch Media auch im Fall von Faccia a faccia den Makel der allzu simplen Menüführung, deren Unterpunkte je nach animiertem Hintergrund wieder ziemlich schlecht lesbar sind, gefallen lassen. Die Animation aus dem Vorspann und der unterlegte Soundtrack sind an und für sich klasse, aber irgendwie will sich das alles nicht so recht zusammenfügen. Mensch Leute, da wäre doch wirklich noch ein kleines bißchen mehr drin gewesen, oder?! Aber lassen wir's. Der Inhalt geht vor, und an dem gibt es wie gesagt auch bei dieser Scheibe der Box keinen Grund für Beschwerden. Auf der Film-DVD ist als Extra wiederum der schön restaurierte deutsche Kinotrailer (Titel: "Halleluja, der Teufel lässt schön grüssen") enthalten, während sich das ausgiebige Bonusprogramm auch hier auf der separaten Bonus-DVD mit den gesammelten Special Features findet.

Auf den Aufbau der in der im Box-Set befindlichen Bonus-Disc bin ich ja bereits im Review zu Lauf um dein Leben und Der Gehetzte der Sierra Madre näher eingegangen. Da wäre zum einen die ausführliche Featurette Sergio Sollima - Face To Face. Diese 56-minütige Doku, die von Koch Media exklusiv für diese Box produziert wurde, setzt sich aus einem sehr aufschlussreichen Interview zusammen, in dem Regisseur Sollima sehr ausführlich über seine Einflüsse, den (Italo-)Western generell und natürlich die Entstehungsgeschichte der drei Filme spricht. Ergänzt werden seine Ausführungen jeweils durch entsprechende Filmausschnitte sowie Set- und Szenenfotos. Auch auf den Dreh zu Faccia a faccia geht Sollima hier ausführlich ein, erzählt von seinen persönlichen Einflüssen und gibt Anekdoten zu den Schauspielern zu besten.

Hinzu kommt jeweils ein Untermenü mit speziellem Bonusmaterial zu jedem der drei Filme, das im Kern aus Trailern, einer Bildergalerie und Fotos von den Drehorten besteht. Die extensiven Bildergalerien präsentieren sich als nett dynamisch gestaltete Dia-Shows bestehend aus deutsch und internationalen Plakatmotiven, Aushangfotos, Plattencovern und Programmheften. Und da das Ganze außerdem sehr stimmungsvoll vom Soundtrack untermalt wird, bekommt man ganz nebenbei noch fast den kompletten Score mitgeliefert. Hinter dem Menüpunkt "Drehorte" verbergen sich Gegenüberstellungen aktueller Aufnahmen der damaligen Drehorte mit entsprechenden alten Szenenfotos. Wiederum sehr schön montiert und mit Musik unterlegt. Selten haben Bildergalerien so viel Spaß gemacht! Als kleines zusätzliches Sahnehäubchen und Werbung in eigener Sache befinden sich auf der Bonus-DVD außerdem noch fünf Trailer zu weiteren Italowestern-Veröffentlichungen des Labels. Neben den bekannten Filmchen zu ...und Santana tötet sie alle und Django - Ich will ihn tot auch die zu den brandaktuellen Veröffentlichungen Django - Unbarmherzig wie die Sonne und Blindman sowie dem offensichtlich demnächst zu erwartenden Django - Melodie in Blei. Das macht Lust auf mehr...

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Faccia a faccia ist diesbezüglich mit dem reichhaltigsten Bonusmaterial ausgestattet. Neben der deutschen, der amerikanischen und einer textlosen Trailerversion, steht auch der Vorspann in drei Varianten (deutsch, englisch, textless) zu Auswahl. Die Bildergalerie wird in diesem ergänzt durch ein Fotoroman-Feature, hinter der sich tatsächlich eine französische Fotoroman-Version des Films verbirgt. Wer also der Sprache mächtig ist, kann sich hier mithilfe der Pause-Taste die Überdosis holen, für alle anderen ist die normale Durchlaufgeschwindigkeit eher auf "überfliegen" als "lesen" eingestellt. Alle Teile der Bildergalerie sind wieder sehr stimmungsvoll mit dem tollen Morricone-Soundtrack unterlegt. Und natürlich gibt es wie für die beiden anderen Filme der Box auch hier vergleichende Bilder der Drehorte damals und heute.

Der schönste Clou ist aber die Einbindung der alten deutschen Super 8-Fassung. Beide Teile, Zwei links, zwei rechts und Halleluja und Zwei für ein Halleluja (inklusive Coverabbildungen, die allerdings vertauscht wurden) sind einzeln anwählbar und liefern zusammen eine geraffte 33-Minuten-Version des Films. Die olle UFA-Veröffentlichung präsentiert sich in eher unscharfem s/w, was dem Spaß an der Sache aber nicht abträglich ist, sondern erst recht für das richtige Nostalgie-Feeling sorgt.

Zitat

Fletcher: Sie haben kein Recht mich zu erschießen. Was hat denn das für einen Sinn?
Bennett: Ja, eigentlich hast Du Recht. Du bist ja schon tot. Und für mich kann diese Kugel vielleicht noch mal sehr wertvoll sein.

Mit der Sergio Sollima-Box hat Koch Media die Latte für Italowestern-Veröffentlichungen jenseits von Leone und Corbucci ganz schön hoch gelegt. Wer hätte gedacht, dass Herrn Sollima gerade bei uns eine so würdige digitale Aufbereitung zu Teil werden würde?! Das Preisleistungsverhältnis ist mit etwa 50 Euro wirklich klasse, so dass man hier ohne Einschränkung eine echte Kaufempfehlung aussprechen darf. Die Auflage mag mit 5000 Exemplaren zwar nicht so stark limitiert sein, dass sie direkt ausverkauft sein wird, aber dennoch sollten Liebhaber des italienischen Westerns nicht zu lange warten, sich eines dieser Schätzchen zu sichern.

Autor: Frank Meyer
Film online seit: 21.04.2005
Letzte Textänderung: 17.08.2006

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