Film Daten

Titel:
House of Flying Daggers
Originaltitel:
Shi mian mai fu
Land & Jahr:
China / Hongkong 2004
Laufzeit ca.: ?
114 Min.
Regie:
Zhang Yimou
Darsteller:
Takeshi Kaneshiro
Andy Lau
Ziyi Zhang
Dandan Song
Weitere Infos:
IMDB  OFDB

DVD Daten

DVD Cover - Constantin Film AG
Label:
Constantin Film AG
Regionalcode / Norm:
2 / PAL
Bild / Zeit:
2.35:1 (anamorph) / 114:19
Sprachen/Ton:
Deutsch - DD 5.1
Deutsch - DTS
Mandarin - DD 5.1
Untertitel:
-
Extras:
  • Making-of
  • Featurette
  • 4 Bildergalerien
  • Storyboards
  • Musikvideo
  • 2 Trailer
  • 9 TV Spots
  • 5 Interviews
  • Filmographien
  • Booklet mit Kurzbiographien
  • Trailer: Die Fantastischen 4 / Hero / Vom Suchen und Finden der Liebe / Kammerflimmern / Napola / Die Nacht der Lebenden Loser / Im Rennstall ist das Zebra los / Der Fluch - The Grudge / Alexander

House of Flying Daggers

(Ein Review von Carsten Henkelmann)

Der Regierung ist die Rebellengruppe "Haus der fliegenden Messer" ein Dorn um Auge und setzt alles daran sie zu vernichten. Mit der Ergreifung von Mitgliedern der Gruppe ist auch der Polizist Leo (Andy Lau) beauftragt, der seinen Kollegen Jin (Takeshi Kaneshiro) in den "Pavillon der Pfingstrose" schickt, weil die neue und blinde Tänzerin Mei (Ziyi Zhang) angeblich Kontakte zu der Gruppe pflegt. Um Jins Deckung zu wahren, taucht Leo dort auf um beide zu verhaften, als sich Mei zur Wehr setzt und schließlich wirklich im Gefängnis landet. Zum Schein befreit Jin sie und flüchtet mit ihr, damit sie ihn zu den Anführern der "fliegenden Messer" führt. Aber mit der Zeit verliebt sich Jin in Mei und beider Leben steht auf dem Spiel...

House of Flying Daggers - ScreenshotHouse of Flying Daggers - Screenshot

Yimou Zhang hat bereits mit dem 2002 in die Kinos gekommenen Ying xiong (Hero) bewiesen, dass er ein Auge und ein Händchen für oppulente Martial Arts Abenteuer besitzt, in dem nicht nur die Kämpfe, sondern auch die Charaktere im Mittelpunkt stehen. Auch der noch zwei Jahre früher durch Ang Lee entstandene Hit Wo hu cang long (Crouching Tiger, Hidden Dragon) kommt einem unweigerlich in den Sinn, wenn man sich die gewaltige Bilderwelt von House of Flying Daggers ansieht. Alle drei Filme stehen für das moderne, epische Martial Arts Kino made in Hongkong und sind doch inhaltlich sehr unterschiedlich.

Während Crouching Tiger, Hidden Dragon eine Art modernes, fernöstliches Märchen war, so behandelt Hero ein Stück asiatischer Geschichte und vermischt es mit (im wörtlichen Sinne!) traumwandlerischen und malerischen Szenen. House of Flying Daggers hingegen, konzentriert sich auf seiner drei Hauptfiguren und wirkt insgesamt etwas bodenständiger und auch etwas düsterer als die beiden anderen Filme. Brachte Regisseur Yimou in Hero knallige Sommerfarben auf die Kinoleinwände, so dominieren in House of Flying Daggers leuchtende Herbsttöne.

House of Flying Daggers - ScreenshotHouse of Flying Daggers - Screenshot

Inhaltlich dreht es sich um die Beziehung zwischen Jin und Mei, die von ihrer Gegensätzlichkeit, er auf der Seite des Gesetzes, sie eine Rebellin, enorm strapaziert wird. Jin wird in seinen Überzeugungen durchgeschüttelt und muss irgendwann sogar gegen seine eigenen Leute kämpfen, als der Kaiser eigene Truppen losschickt, auf die auch Leo keinen Einfluss nehmen kann. Dies ist auch der Zeitpunkt an dem sich Jin gegen Leo aufbegehrt, denn der will ihren Plan konsequent durchziehen, während Leo keinen Sinn mehr darin sieht. Und Mei vertraut Jin, weil sie ihn auf ihrer Seite glaubt, aber er muss sie immer wieder anlügen.

Somit bietet House of Flying Daggers ein zutiefst menschliches Drama, das aber aufgrund der Inszenierung nicht zu einem trockenen Melodram verkommt, sondern mit wirklich gigantischen und epischen Bildern zu beeindrucken versteht. Zudem kommen auch die Actionsequenzen nicht zu kurz, die zwar auch mit Hilfe von Drahtseilakrobatik entstanden sind, aber bei weitem nicht so übertrieben wirken wie z.B. die Traumkämpfe in Hero. Hier sticht vor allem die Verfolgung Meis und Jins im Bambuswald hervor. Die Verfolger schweben geradezu über die Wipfel, während Mei verzweifelt versucht sich gegen die Angreifer zur Wehr zu setzen. Diese Sequenz hat durch den Einsatz von Windgeräuschen, dem Pfeifen der Bambusrohre und der Choreographie schon fast was von einer musikalischen Inszenierung an sich. Aber auch die eher einfach gehaltene erste Konfrontation zwischen Mei und Leo im Pavillon beeindruckt schon durch die Kraft der Bilder und der Farben.

House of Flying Daggers - ScreenshotHouse of Flying Daggers - Screenshot

Sehr angenehm fällt auch auf, dass die Actionsequenzen in House of Flying Daggers nicht so extrem schnell geschnitten wurden, wie es derzeit in Hollywood so üblich ist. Hier erkennt man, wer gegen wen und wie kämpft. Der Film nimmt sich auch einfach mal die Zeit um seine Charaktere in eine überwältigende Landschaft zu positionieren. Gerade wenn sich mal die Wege von Jin und Mei trennen, sollte man einmal darauf achten, wie beide im Bild positioniert worden sind und wie ähnlich die Gegenschnitte zum anderen Charakter wirken. Die Landschaft ist neben Jin, Leo und Mei der vierte Hauptdarsteller des Films, vor allem die Sequenz im Bambuswald wirkt durch das extreme Grün einerseits überwältigend, andererseits hat es schon fast einen surrealen Charakter.

Aber nicht nur Optik und Action können überzeugen, sondern auch die schauspielerischen Fähigkeiten der Hauptpersonen. Mag die Darstellung des betrunkenen Gastes im Pavillon noch ein wenig aufgesetzt wirken, so nimmt man Takeshi Kaneshiro den hin- und hergerissenen Soldaten schon eher ab. Die aus Crouching Tiger, Hidden Dragon, Musa oder Hero bekannte Ziyi Zhang spielt die auf den ersten Blick zerbrechlich wirkende, aber ungemein wehrfähige Mei ebenfalls recht überzeugend. Zur Vorbereitung auf den Film begleitete sie sogar zwei Monate lang eine blinde Frau, um ein Gefühl für die Lage Meis zu bekommen. Nur Andy Lau, der hier beileibe keine schlechte Leistung abliefert, hat etwas unter seinem eindimensionalen Charakter zu leiden, auch wenn der noch die eine oder andere Wandlung durchmacht.

House of Flying Daggers - ScreenshotHouse of Flying Daggers - Screenshot

Wer sich mit Crouching Tiger, Hidden Dragon oder Hero anfreunden konnte, der darf ruhigen Gewissens House of Flying Daggers einmal antesten, auch wenn sie nur auf den ersten Blick Gemeinsamkeiten haben. Wer allerdings bei den Filmen schon seine Probleme mit der schwerelosen Art zu kämpfen oder der epischen, manchmal schon pathetischen Oppulenz hatte, sollte eher vorsichtig an diesen Film herangehen. Für meinen Teil kann ich sagen, dass mir der Film bei jedem erneuten Ansehen immer besser gefällt, aber einen direkten Favoriten unter den drei Filmen kann ich nicht benennen.

Neben Hero und House of Flying Daggers hat Regisseur Yimou bereits einige andere Filme gedreht. Zu den weiteren bekannteren Werken gehört sicherlich der 1991 entstandene Da hong deng long gao gao gua (Raise the Red Lantern / Rote Laterne) oder der ein Jahr später gedrehte Qiu Ju da guan si (Die Geschichte der Qiu Ju). Takeshi Kaneshiro sah man unter anderem in Wong Kar Wais Chong qing sen lin (Chungking Express) und Duo luo tian shi (Fallen Angels), aber auch in Mo him wong (Dr. Wai in the Scripture with no Words). Auch Andy Lau ist dem Asien-Fan kein Unbekannter, spielte er doch z.B. in Zhan shen chuan shuo (Moon Warriors), Chuen jik sat sau (Fulltime Killer) und Wu jian dao (Infernal Affairs) mit.

House of Flying Daggers - ScreenshotHouse of Flying Daggers - Screenshot

Nachdem bereits auf dem internationalen Markt diverse DVD-Veröffentlichungen des Films vorliegen, bietet Constantin Film in Deutschland eine Premium Edition an, die als Doppel-DVD im Digipack und Pappschuber verkauft wird. Der äußere gute Eindruck bekommt allerdings, noch bevor man den Film startet, einen derben Dämpfer, der diese Veröffentlichung schon fast disqualifiziert. Denn nach dem überflüssigen Antipiraterie-Trailer, den man zumindestens vorspulen kann, kommt ein nicht-überspringbarer Trailer zum neuen Die Fantastischen 4 Film. Man muss sich also jedesmal diesen Trailer anschauen, auch wenn man eigentlich nur einen kurzen Blick in die DVD werfen möchte! Und der nächste dicke, und viel schwerer wiegende Minuspunkt kommt dann, wenn man die Sprachoptionen festlegen möchte. Constantin bietet zwar den Mandarin-Originalton in Dolby Digital 5.1 an, aber keine einzige Untertitelspur! Leidenschaftliche O-Ton-Schauer werden hier also regelrecht veräppelt. Zwar ist die deutsche Synchronisation nicht unbedingt schlecht, aber auch lange nicht perfekt. Das gibt eine rote Karte Richtung Constantin, vor allem weil die Extras dann doch wieder deutsche Untertitel haben! Was man mit dieser Praxis bezwecken wollte, bleibt ein Rätsel. Bei einem Film, der aus dem englischsprachigen Bereich kommt, hätte man das noch verstehen können, aber hierbei handelt es sich um eine Co-Produktion von China und Hongkong und Mandarin dürfte in Deutschland nicht gerade zu den verbreitesten Fremdsprachen gehören.

Und das ist um so ärgerlicher, weil die DVD ansonsten technisch vollkommen zu überzeugen weiß. Das anamorphe Bild im Format 2.35:1 bietet eine durchweg sehr gute Schärfe, Bildrauschen ist quasi nicht vorhanden und die Farben erstrahlen mit einer kräftigen Sättigung. Auch der Kontrast erscheint ausgewogen und kompressionsbedingte Fehler konnten ebenfalls kaum ausgemacht werden. Der Ton liegt wie erwähnt einmal im Originalton in Dolby Digital 5.1 vor, und die deutsche Synchronisation in 5.1 und einer DTS-Spur. Und der Sound kann sich, egal welche Tonspur, durchaus hören lassen. Die Rears werden effektiv genutzt, der Subwoofer kommt des öfteren zum Einsatz und bidirektionale Effekte gibt es auch. Atmosphäre besitzt der Sound auf alle Fälle und die Dialoge kommen verständlich aus dem Center. Gerade das Spiel zwischen Leo und Mei im Pavillon oder der Kampf im Bambuswald machen mit der Soundkulisse richtig Spaß.

House of Flying Daggers - ScreenshotHouse of Flying Daggers - Screenshot

Komplett alle Extras sind auf der zweiten DVD vertreten. Den Hauptteil nimmt das dreiviertelstündige Making-Of ein, das aber leider eine kleine Enttäuschung darstellt. Es ist eine Vermischung aus Interviews, Film- und Behind-the-Scenes Aufnahmen, allerdings sind die Interviews nicht sehr informationsreich. Und der Off-Sprecher muss aus irgendeiner Werbeabteilung abkommandiert worden sein, denn statt handfesten Informationen gibt es eher überzogene Aussagen, wie z.B. das bei einer so tollen Crew und so tollen Darstellern nur ein ebenso toller Film herauskommen kann. Das Manko mit den fehlenden Untertiteln für den Film schlägt hier gleich doppelt rein, weil die Filmsequenzen im Making-Of Untertitel haben!

Passend zum Making-of gibt es noch vier verschiedene Bildergalerien, jeweils eine mit Szenenfotos, Kostümentwürfen, Setdesign und Filmrequisiten. Es folgend gleich sechs verschiedene Storyboard-Features, in denen man gleichzeitig eine bstimmte Szene aus dem Film sehen kann und die dazugehörigen Storyboards. Es handelt sich dabei um die Szenen im Pavillon, am Wasserbecken, die Befreiung Meis, den Ritt durch den Wald, der Kampf auf dem offenen Feld und die Gefangennahme im Bambuswald. Zu dem Abspannlied "Lovers", gesungen von Kathleen Battle, gibt es noch das Musikvideo und die sechs Minuten kurze Featurette "Dreharbeiten zu House of Flying Daggers" besteht nur aus unkommentierten Aufnahmen von den Dreharbeiten, die aber einen kleinen Einblick gestattet, wie manche Szenen entstanden sind.

House of Flying Daggers - ScreenshotHouse of Flying Daggers - Screenshot

Der zweite Teil der Extras widmet sich mehr der Promotion des Films. Gleich 9 TV-Spots und 2 Trailer gibt es hier, sowie fünf Interviews. Die kommen aber zusammen gerade mal auf knappe 6 Minuten und 20 Sekunden Laufzeit und sind zudem vollkommen überflüssig, da alle Interviewausschnitte bereits im Making-of zu sehen waren.. Abschließend gibt es noch Filmographien von Takeshi Kaneshiro, Andy Lau, Ziyi Zhang und Song Dandan. Der Rest des Bonusmaterials besteht aus Trailer zu weiteren Titeln aus dem Constantin Programm.

Autor: Carsten Henkelmann
Film online seit: 03.07.2005
Letzte Textänderung: 05.07.2005

Leser-Kommentare

06.09.2005, 15:48:21 Dietmar Kesten ( Email schreiben )

HOUSE OF FLYING DAGGERS

UMWERFEND SCHÖN

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 8. JANUAR 2005.

Hatten schon ?Tiger & Dragon? (Regie: Ang LEE, 2000)
und ?Hero? (Regie: Zhang YIMOU, 2002) für Verzückung
gesorgt, so ist das ?Haus der fliegenden Messer? eine
atemberaubende Verbeugung vor Tanz, Rhythmen,
Choreographie, opulenter Bildgestaltung und
faszinierender Körperbeherrschung.
Der chinesische Regisseur, der schon mit ?Hero? die
Freiheit des Frischen, des Neuen, der Leichtigkeit und
der hellen Federn ins Kino brachte, hat mit diesem Film
einen Ehrenplatz verdient.
?House of Flying Daggers?, ist eine Rebellengruppe, die
in der Tang-Dynastie 859 wie Robin Hood agiert- den
Reichen nehmen um den Armen zu geben.
Als ein Anführer dieser Gruppe wird Mei (Zhang ZIYI), die
scheinbar blind ist, vermutet, eine Tänzerin aus einem
Nobelbordell.
Als sie gefangen genommen wird, schweigt sie beharrlich
und gibt niemanden aus der Gruppe preis.
Deshalb sind die Rebellen den örtlichen Vertretern ein
Dorn im Auge. Die Offiziere Leo (Andy Lau TAK WAH)
und Jin (Takeshi KANESHIRO) greifen zu einer List,
um Mei umzudrehen.
Jin gibt sich als Überläufer aus, befreit Mei und hofft
darauf, dass sie ihn in den Inner Circle der Gruppe
bringt, damit sie zerschlagen werden kann. Er verliebt
sich in sie. Und auch Leo liebt Mei. Er und die
kaiserlichen Krieger folgen den beiden.
?House of Flying Daggers? ist ein Drama um
Liebe, Intrige, Treue, Hass: kurz eine klassische
Dreierbeziehung nimmt seinen Lauf.

Es gibt noch gutes Kino. Kino muss auch ein
Versuchslabor sein, in dem verschiedene Strömungen
aufeinanderprallen und wo experimentiert, inszeniert
und rebelliert wird.
Eine Reihe von Filmen in den letzten Jahren haben
gezeigt, dass man sich dem Mainstream und den
Blockbustern verschließen und entgegenstellen
kann.
Angefangen von ?Dogville? (Regie: Lars von TRIER, 2003)
bis zu den neueren Dokumentarfilmen (etwa:
?Die Spielwütigen?, Regie: Andres VEIEL, 2003, oder
?Super Size Me?, Regie: Morgan SPURLOCK, 2004)
konnte das Kino erfreuliches zeigen. Und nicht alles, was
von den Kritikern zerrissen wurde, war auch tatsächlich ein
Verriss. Während gleichzeitig die Ideologie der kalten
Filmmarktführer jeden Film mit Starbesetzung in den Himmel
log, waren es die stillen und leisen Filme, die wie der
Phönix aus der Asche auftauchten und für Furore sorgten.
Und da die Betrachtungen von Filmen zu allen Zeiten eine
subjektive Angelegenheit bleiben wird, stellte sich auch
öfter heraus, dass sich an diesen Punkten die Geister
scheiden.

Nun ist es beim asiatischen Kino so, dass es eine
revolutionäre Auffrischung sein kann, oder in der
totalen Überzeichnung nur einen Hollywoodabklatsch
darstellt.
Schaut man etwa auf aktuelle Inszenierungen (etwa:
?Zatoichi - Der blinde Samurai?, Regie: Takeshi KITANO,
2003), dann wird deutlich, dass das allzu blinde
Vertrauen in dieses Kino überwiegen mag.
Und nur weil es sich um asiatische Superstars
(vgl. auch ?Ong Bak?, Regie: Prachya PINKAEW, 2004)
handelt, die es auf ihre Weise dominieren und Ideologien
weitergeben, sollte der Blick durchaus auch den
Schwachstellen des Martial Arts und der vermeintlichen
Perfektion gelten.

Es gibt indes Filme, die von allen Traditionen befreien,
die Betrug, Rebellion, Unterdrückung und Tod in
ein Melodrama einfassen und aus der erstarrten
Finsternis einen blühenden Morgen machen.
Zu diesen gehört ?House of Flying Daggers?,
deren Bilder in Fotoalben gehören. Und dazu noch
Zhang YIMOU. Perfekter könnte ein solches Album
nicht aussehen.
Der Regisseur ist kein Unbekannter.
Bereits mit seiner ?Roten Laterne? (1992) zeigte er
sein ganzes Können. Das Haus muss in Ordnung
gehalten werden. Der Film war ein Attentat auf die
Schönheit der Farbe rot. Die Farben waren rein, grell
und blendend. Die Bilder geometrisch. Die Wandmalerei
war wie eine Verwandlung. Und sie verpuppte sich bei der
Wahrnehmung zu immer neuen Facetten. Hier zerbrach
die kalte Ordnung der Kinoclips, der moralisierenden
Besserwisser, der konventionellen Kinogeschichten und
der audiovisuellen Marktführer.
Die vollkommene Ästhetik war wie ein Abbild der
vollkommenen Macht. Der Film hatte ein Gesicht,
war Maske und Form zugleich.
Das war der Beginn der Meisterschaft.

So, wie Zhang YIMOU alles in Bild setzt, es in ständiger
Bewegung hält und seine Bilder aus allen möglichen
Perspektiven erzählen lässt (überragend ist die
Kamera von Zhao XIAODING), erzählt man Geschichten
der Leidenschaft.
Der liebevoll gestaltete Film ist ein Feuerwerk für die
Augen, wobei die Actionszenen und die
Kampf-Choreografie mehr spielerisch eingesetzt werden
und der ekstatischen Unterhaltung dienen.
Die grandiosen und prächtigen Kostüme, die
atemberaubenden Landschaftsaufnahmen und die
immer wieder erfinderischen und perfekten Tanzeinlagen
geben dem Film eine überwältigende Aura.
Die katzenhafte Kämpferin Mei ist die vollendete
Bewegung an sich. Für sich genommen zelebriert sie
die vollkommene Ästhetik. Es gibt Momente, da bekommt
man vor Staunen den Mund nicht mehr zu. Mai
kämpft mit einem langen Bambusrohr gegen die
Übermacht der kaiserlichen Krieger, die hoch oben
im Gehölz angerauscht kommen. Eine perfektere
Kampfchoreographie kann es wohl nicht mehr geben.
Es passt einfach alles. In diesen Sequenzen
steckt das ganze Kino von Zhang YIMOU.
Er macht uns zu Zeugen unserer Überwältigung.

Interessant scheint der Zusammenhang zwischen
Seide, Blut und Bewegung zu sein.
Rot ist die Farbe der Revolution, die filmische
Sprache des Regisseurs, des alten Chinas und
des Chinas der Kulturevolution.
In China dürfte die Farbe Rot lange Zeit über die
des Fortschritts gewesen sein.
In Joris IVENS Dokumentarfilm ?Die Geschichte des
Windes? (1990) tragen die Pioniere rote Tücher,
die rote Fahne schwenkend ziehen sie durch das
Land. Rot sind bis heute noch Bänder und Schleifen
des Theaters, rot sind die Abzeichen der Parteigänger,
der Armee.
Rot ist jedoch auch ein anderes China, das älter ist als
die Revolution.
Rot sind die alten Gewänder, die Farbe der Braut,
der Hut der Sängerin und die Lampions der ländlichen
Feste.
Rot waren die Mauern des Kaiserpalastes (der sog.
Verbotenen Stadt) .
Und immer noch ist Rot die Farbe der Freude, des
Glücks, der Fruchtbarkeit und der Lust. Rot ist die
Farbe des Blutes, der Kollisionen. Und manchmal
auch der Weg ins Freie.
Selbst die Seide ist mitunter rot eingefärbt.
Wenn Mei ihre Schleier tief fallen lässt, damit herumwirbelt,
dann tanzt sie filmisch um ihr Leben.
Das Requisit vermittelt ihr eine Würde, die sie
bewahrt, den staunenden, um sie herumgruppierenden
Trommlern als ihr eigenes Spiegelbild offeriert.
Zhang YIMOU hat seit seiner ?Roten Laterne? aus
dieser Farbe den Rausch gemacht, ein
Frühlingserwachen. Er setzt seinen Weg konsequent
fort.

Das Farbenspiel kann sich indes im Laufe des Filmes
ungehindert durchsetzen. Nicht nur das Rote bringt die
flammenden Herzen hervor. Mit einem roten Farbtupfer
beginnt die Geschichte, und sie endet mit der
blutüberströmten Mei.
Alles ist an Farben gebunden, der Film ist wie ein
Programm, das mittels Farben vermittelt wird.
Sie sind programmatisch für alle Szenen, für jeden
Dialog und für das Bildergewebe.
Und erst die Grundierung schafft es, aus diesem Film
ein Festival zu machen, einen Meilenstein in der jüngeren
Filmgeschichte.
Es ist Waldesgrün, satte Brauntöne, alle Herbstfarben,
das Blaue des Himmels, die Wiesen, die Bambuswälder
und das Weiße (in China die Farbe der Trauer) ist der
Winter, der tragische Ausgang der ?Fliegenden Messer?.
Selbst die Innenwelt passt sich der farbigen Außenwelt an.
Wenn Mei in die Wälder flieht, so sind ihre grünen Kleider
mit den Bäumen und den Zweigen wie auf wundersame
Weise eins geworden.

Der Film ist, wenn man so will, vielleicht ein destruktiver
Lebensentwurf!
Was ist Verrat, was ist Liebe? Alles wird hier in Frage
gestellt, aufgehoben, verworfen und wieder
zusammengebunden.
Der Zuschauer ahnt nie, welcher Figur er vertrauen
sollte, oder könnte.
In der Tat stellt sich Zhang YIMOU damit die Frage
nach der Illusion, nach dem Wahrheitsgehalt seiner
eigenen Bilder.
Die individuelle Hoffnung mag sich zerschlagen.
Die großen Fronten sind abgesteckt. Die Parteien,
die Rebellengruppe und die Machtverhältnisse verhindern
die große Liebe.
Sie zerstören das Glück, kehren die Eifersucht hervor
und lassen das Patriarchat triumphieren.
Um Macht und Liebe ging es auch in der ?Roten Laterne?.
Auch hier ist der Ausgangspunkt das Bild der
Mächtigen, die zwar an ihrer kalten Ordnung zerbrechen,
aber in Mei wird die Würde der Frau bewahrt.
?Man muss Filme politisch machen?, schrieb einst
GODARD. Ob das hier zutreffen mag?

Fazit:

Das Filmjahr 2005 beginnt mit einem Paukenschlag.
Die Liebesgeschichte inmitten toller Landschaften,
mit spektakulären Kampszenen und einem
opulenten Bilderreigen geben dem Film die
funkelnden Augenblicke eines Leuchtfeuers in der
Nacht. Absolutes sehenswert!

© 1998 - 2024: Sense of View / Carsten Henkelmann