Film Daten

Titel:
Die Jungfrauenquelle
Originaltitel:
Jungfrukällan
Land & Jahr:
Schweden 1960
Laufzeit ca.: ?
85 Min.
Regie:
Ingmar Bergman
Darsteller:
Max von Sydow
Birgitta Valberg
Gunnel Lindblom
Birgitta Pettersson
Axel Düberg
Tor Isedal
Allan Edwall
Ove Porath
Axel Slangus
Gudrun Brost
Oscar Ljung
Tor Borong
Leif Forstenberg
Alternativtitel:
Virgin Spring, The
Weitere Infos:
IMDB  OFDB

DVD Daten

DVD Cover - Kinowelt
Label:
Kinowelt
Regionalcode / Norm:
2 / PAL
Bild / Zeit:
1.33:1 / 85:18
Sprachen/Ton:
Deutsch - DD 1.0
Schwedisch - DD 1.0
Untertitel:
Deutsch
Extras:
  • Biographie Ingmar Bergmann
  • Produktionsnotizen
  • Trailer: Das Schweigen / Wilde Erdbeeren / Das Lächeln einer Sommernacht / Million Dollar Baby / Bis ans Ende der Welt / Die flambierte Frau

Die Jungfrauenquelle

(Ein Review von Carsten Henkelmann)

Die hübsche Bauernstochter Karin (Birgitta Pettersson) ist zusammen mit der schwangeren Ingeri (Gunnel Lindblom) auf dem Weg zur Stadt. Auf dem Weg dorthin will Ingeri nicht den Wald durchqueren, weil sie sich fürchtet. Karin reitet allein weiter und trifft später auf drei Brüder (Axel Düberg, Tor Isedal, Ove Porath). Aus Mitleid bietet sie ihnen ihren Proviant zum teilen an, aber die Situation eskaliert. Karin wird vergewaltigt, niedergeschlagen und ausgeraubt. In der Nacht bitten die drei Männer um eine Übernachtungsmöglichkeit an einem Hofe, ohne zu ahnen das es der von Karins Eltern Töre (Max von Sydow) und Märeta (Birgitta Valberg) ist, die sich inszwischen Sorgen um ihre Tochter machen...

Die Jungfrauenquelle - ScreenshotDie Jungfrauenquelle - Screenshot

Der schwedische Regisseur Ingmar Bergman war schon vor Jungfrukällan, so der Originaltitel des Films, kein Unbekannter unter Filmfreunden. Filme wie z.B. Det Sjunde inseglet (Das siebente Siegel) brachten ihm einiges an Anerkennung von Filmkritikern ein. Aber zusammen mit der Verleihung des Oscars 1961 für den besten ausländischen Film machte ihn Die Jungfrauenquelle auch einem breiteren Publikum endgültig bekannt. Die Geschichte um Moral und Gewalt traf das damalige Publikum heftiger als es heute der Fall ist und die Vergewaltigungsszene war für damalige Zeiten sehr gewagt. Immerhin entstand der Film mindestens 10-15 Jahre vor Machwerken wie z.B. Thriller - A Cruel Picture oder Ich spuck auf dein Grab (Ich spuck auf Dein Grab), die das sogenannte "Rape and Revenge" Subgenre im Exploitationfilm bilden sollten.

Der Film ist ungefähr dreigeteilt. Im ersten Drittel werden die Charaktere auf seiten der Familie vorgestellt. Ihnen geht es relativ gut, müssen aber auch entsprechend hart arbeiten. Töre ist ein strenger, aber liebevoller Vater, während Märeta ihre Tochter über alles liebt und ihr kaum einen Wunsch abschlagen kann. Karin wird wie eine Engelstochter dargestellt. Sie ist hübsch, sich dessen durchaus bewußt und versteht es ihre Eltern um den Finger zu wickeln. Als krasser Gegensatz dazu wirkt Ingeri. Man erfährt nur soviel, dass sie nicht zur Familie gehört und auch nur als Arbeitskraft am Hofe geduldet wird, zudem ist sie schwanger ohne verheiratet zu sein. Die restlichen Personen auf dem Hof sind allesamt Arbeiter. Allen gemeinsam ist ihr christlicher Glaube, der bei Märeta besonders ausgeprägt ist. Sie geht sogar soweit, die Leiden Christi mit Kerzenwachs auf ihren Armen Tribut zu zollen. Nur Ingeri wendet sich in ihren Gebeten an Odin, ist also mehr den alten Religionen zugewandt. Karin mag Ingeri wohl durchaus, eine tiefe Freundschaft gibt es aber zwischen den beiden nicht.

Die Jungfrauenquelle - ScreenshotDie Jungfrauenquelle - Screenshot

Der Mittelteil besteht dann aus dem Ritt der beiden Mädchen. Als ihnen unterwegs ein Bauer behilflich ist, erkennt man das Karin besonders beliebt ist, während Ingeri kaum beachtet wird und das Ganze finster von einigen Metern Entfernung heraus betrachtet. Ein alter Mann, der in einer Mühle wohnt und Karin sofort über den Fluß hilft, will sich dann auch lieber sein Vergnügen mit Ingeri machen, die aus Angst vor dem Wald dort geblieben ist. Ingeri stellt also sowas wie die untere gesellschaftliche Klasse dar, während Karin, wenn man mal ihre Herkunft aus einer Bauernfamilie ignoriert, sich fast wie eine Prinzessin benimmt und auch so behandelt wird. Ingeri ist deswegen eifersüchtig auf sie und wünscht insgeheim, dass Karin doch was passieren möge.

Die trifft dann schließlich auf die drei Brüder. Der Jüngste ist noch ein halbes Kind und sagt kein Ton, einer der älteren ist stumm und kann nur seltsame Geräusche von sich geben und nur einer, vermutlich der älteste von allen, kann normal reden. Als Zuschauer erkennt man sofort, dass die drei Gestalten bzw. die beiden Älteren es nicht ehrlich meinen. Nur Karin ist so naiv und glaubt ihnen ihre Leidensgeschichte und bietet ihnen daher ihr Essen an. Die Lage wird für Karin immer bedrohlicher und diese Bedrohung schlägt sich auch in der Atmosphäre des Filmes nieder. Die Spannung nimmt zu, die Männer rücken immer näher an Karin. Als sie schließlich die Lage erkennt ist es auch schon zu spät. Nach dem biblischen Teilen des Brotes, ein Akt der Barmherzigkeit, wird sie von den beiden älteren Brüder mißbraucht. Die Kamera schwenkt dabei aber nicht ab, sondern läßt den Zuschauer das Verbrechen direkt miterleben. Die Kamera verurteilt dabei nicht oder hat etwa Mitleid mit Karin, sondern gibt einfach das Geschehen wieder, ganz so als sei man ein zufälliger Beobachter.

Die Jungfrauenquelle - ScreenshotDie Jungfrauenquelle - Screenshot

Der letzte Teil des Films stellt dann noch eine weitere Steigerung in der Spannung, aber auch in der düsteren Atmosphäre dar, als die drei Brüder in das Haus der Eltern kommen. Denn als die Eltern erkennen, wem sie da Unterschlupf gewähren, hat die letzte Stunde für die drei geschlagen. Aus der Verzweiflung, wo denn ihre Tochter bleibt, wird Hass und das Verlangen nach Rache. Was hier weniger schockiert sind die Taten an sich, sondern vielmehr mit welcher Ruhe Töre sich darauf vorbereitet. Er bricht in keinen wilden Tötungsrausch aus, sondern agiert leise und bedacht und wartet sogar darauf, dass die drei aus ihrem Schlaf aufwachen.

Ingmar Bergman schuf damit einen Film, nach dem sich jeder Zuschauer fragen wird, wie er denn reagieren würde. Und hier hält Bergman dem Publikum den Spiegel vor, denn natürlich empfindet man Mitleid mit Karin und den Eltern, aber verdammt man die nachfolgende Tat von Töre? Erscheint es nicht sogar nachvollziehbar, dass er sich so benimmt, dass er die Schandtat an seiner Tochter rächt? Hilfreich in dieser Situation ist sicherlich, dass zu dem Zeitpunkt außer ihm, Märeta und Ingeri niemand von dem Tod Karins weiß und ihn somit niemand von der Rache abhalten kann. Auch kommt die abgelegene Lage des Hofes abseits anderer Orte und Häuser Töres Handlung entgegen. Und Märeta schaut dem Ganzen stumm zu, denn obwohl sie streng nach den Regeln der katholischen Kirche lebt, hält sie ihren Mann nicht davon ab sein Werk zu vollenden. Der Mann, der zu Beginn des Films wie ein rationaler und klar denkender Mensch wirkt, vollführt drei brutale Akte der Gewalt und macht sich damit, auch wenn er den Tod seiner Tochter rächt, genauso schuldig wie auch die Mörder.

Die Jungfrauenquelle - ScreenshotDie Jungfrauenquelle - Screenshot

Festgehalten wurde dies in teils beeindruckenden schwarz-weiß Bildern, wobei Bergman gerne Totalen verwendete oder bestimmte Gegenstände oder Personen in den Vordergrund schob. Die weite Landschaft Schwedens wurde für einige wirklich schöne Aufnahmen genutzt. Zudem findet auch die von Bergman gewohnte Symbolik ihren Einzug in den Film, wenn auch nicht ganz so bedeutungsschwanger und im Übermaße wie in seinem Det Sjunde inseglet (Das siebente Siegel). Die Religion spielt aber auch hier eine Rolle, allerdings nicht ganz so vordergründig. Zunächst sieht man nur Töre und Märeta vor einem Jesus-Kreuz beten, aber das gemeinsame Essen an dem langen Tisch erinnert sehr stark an das bekannte Abendmahl-Gemälde von Leonardo da Vinci.

Die Jungfrauenquelle, der Name bekommt in der letzten Szene des Films seine Bedeutung, ist ein Werk dem man sich als Zuschauer kaum entziehen kann. Obwohl die Geschichte in ihrer Grundstruktur enorm einfach gehalten ist, verlieh ihr Bergman durch seine Inszenierung und vor allem durch die Tiefe der Charaktere eine gewisse Komplexität und Deutungsmöglichkeit. Inhaltlich ist, im Gegensatz zu den Farben des Films, eben nicht alles in Schwarz und Weiß einteilbar, sondern es gibt sehr viele Graustufen. Wobei der Film aber allgemein verständlich bleibt und nicht erst ein Filmstudium abgeschlossen werden muss, um alles zu verstehen. Trotz seines Alters funktioniert der Film auch heute noch perfekt und hat von seiner Bedeutung nichts verloren.

Die Jungfrauenquelle - ScreenshotDie Jungfrauenquelle - Screenshot

Wer diesen Film übrigens nicht kennt, aber trotzdem die Handlung enorm bekannt vorkommt, der sollte jetzt aufhorchen. Denn Die Jungfrauenquelle ist die lose Vorlage zu Wes Cravens derben Debütwerk The Last House on the Left, das er 1972 drehte. Dort kommen zwei junge Frauen in die Hände einer durchgeknallten Verbrecherbande, die nach dem Mord an den Mädchen in dem Elternhaus übernachten und schließlich brutal von den Eltern umgebracht werden, als die erkennen was mit ihrer Tochter geschehen ist. Teilweise kann man zwischen Die Jungfrauenquelle und The Last House on the Left direkte Verbindungen von Charakter zu Charakter herstellen, ansonsten lassen sich die beiden Filme natürlich nur schwer vergleichen. Während Die Jungfrauenquelle ein Stück Filmkunst ist, handelt es sich bei The Last House on the Left um ein reines, wenn auch sehr kontroverses Stück Exploitationfilm. In diesem Zusammenhang mutet es schon beinahe amüsant an, dass damals, als Bergmans Film in den Kinos lief, die Polizei in München um die Herausgabe der Kinorolle bat um die Vergewaltigungsszene herausschneiden zu können - was dem Film dann zum Durchbruch an den Kinokasse verhalf.

Die Vorlage für den Film liefert eine alte schwedische Legende aus dem 14. Jahrhundert, die von Ulla Isaksson in ein Drehbuch verwandelt wurde. Für die Kamera zeichnete sich Sven Nykvist verantwortlich, der neben ein einigen anderen Bergman Filmen auch den Schritt nach Hollywood schaffte und dort z.B. an dem langweiligen, aber kommerziell erfolgreichen Sleepless in Seattle (Schlaflos in Seattle) beteiligt war. Ingmar Bergman ist selbst heutzutage noch aktiv, auch wenn seine letzten großen Erfolg schon einige Jahre zurückliegen. Sein letzter großer Film war 1982 Fanny och Alexander (Fanny und Alexander). Max von Sydow ist den meisten sicherlich bekannt. Nicht nur als ein Stammschauspieler Bergmans war er tätig, sondern tauchte auch in Filmen wie The Exorcist (Der Exorzist), Conan the Barbarian (Conan der Barbar) oder dem SF-Thriller Minority Report auf.

Die Jungfrauenquelle - ScreenshotDie Jungfrauenquelle - Screenshot

Die deutsche DVD stammt von dem Arthaus-Label von Kinowelt. Mit einer Referenzqualität kann und muss man bei einem Film von 1960 nicht unbedingt rechnen. Allerdings fallen die doch etwas häufiger vorkommenden leichten Beschädigungen oder Verschmutzungen der Vorlage schon auf. Die Schärfe kann man noch als gut bezeichnen, der Kontrast läßt allerdings öfter mal hellere Flächen überstrahlen. An Tonformaten gibt es den schwedischen Originalton und die deutsche Synchronistation. Deutsche Untertitel gibt es auch, allerdings werden die beim Originalton zwangszugeschaltet. Die Extras sind nicht gerade reichhaltig, aber immerhin gibt es eine Biographie über Ingmar Bergman und Produktionsnotizen zum Film. Ansonsten gibt es nur weitere Arthaus bzw. Kinowelt Trailer, darunter aber nicht mal der Trailer zu Die Jungfrauenquelle.

Autor: Carsten Henkelmann
Film online seit: 01.09.2005
Letzte Textänderung: 09.08.2006

Leser-Kommentare

18.11.2005, 15:34:57 R. Schneider

Der Autor Carsten Henkelmann gibt den Inhalt treffend wieder und stellt auch die Struktur des Films angemessen dar. was jedoch zu bemängeln wäre, ist dei mangelnde Verdeutlichung des Leitmotivs. Das Bild des Gottes, der schlimmes geschehen lässt (Vergewaltigung und Ermordung Karins), der jedoch ebenfalls schlimmes vergibt (der Racheakt des Vaters). Als Töre am Ort des Verbrechens um Vergebubg für seine tat fleht (er will an jenem Ort eine Kirche errichten), entspringt unter Karins Leichnam eine Quele (die Jungfrauenquelle). Gott gibt sich somit zu erkennen (zum einzigen Mal auf solch explizite Weise in einem Bergman-Film) und unterstreicht so das Motiv des vergebenden christlichen Gottes.

© 1998 - 2024: Sense of View / Carsten Henkelmann