Film Daten

Titel:
The Village
Originaltitel:
The Village
Land & Jahr:
USA 2004
Regie:
M. Night Shyamalan
Darsteller:
Bryce Dallas Howard
Joaquin Phoenix
Adrien Brody
William Hurt
Sigourney Weaver
Brendan Gleeson
Weitere Infos:
IMDB  OFDB

The Village

(Ein Kurzreview von Carsten Henkelmann)

1897: Ein abseits jeder großen Stadt gelegenes Dorf wird nach Jahren der Ruhe wieder von den "Unaussprechlichen" heimgesucht, unheimliche Kreaturen aus dem umliegenden Wald, die sich von den Dorfbewohnern gestört fühlen. Wegen Ihnen darf niemand das Dorf verlassen, aber als Lucius Hunt (Joaquin Phoenix) schwer verletzt wird, macht sich die blinde Ivy Walker (Bryce Dallas Howard) alleine auf den Weg durch den Wald...

"The Village" bietet keine überragende, aber immerhin recht gut gemachte Grusel-Thriller-Unterhaltung mit einem leichten Gothic-Feeling. Die herbstliche Umgebung und das des öfteren im Nebel verschwindende Dorf sorgen für eine schöne Atmosphäre, in der sich die Handlung voll entfalten kann. Bryce Dallas Howard bietet eine grandiose schauspielerische Leistung und stellt eine wahre Neuentdeckung unter den Darstellern dar, während auf der anderen Seite Joaquim Phoenix sehr zurückhaltend wirkt und selbst Sigourney Weaver auch ein wenig untergeht. Leider wirkt das Handlungsgerüst des Films ein wenig zu arg konstruiert und wer die diversen Gruselfilme und Mysterythriller der letzten Jahre gesehen hat, egal ob amerikanischen oder japanischen Ursprungs, für den werden nicht viele Überraschungen geboten. Irgendwo hat man eines der tragenden Elemente von "The Village" schon einmal gesehen, teilweise bedient sich Shyamalan bei seinen eigenen Filmen. Nur wer die letzten Jahre in dem Bereich fast alles verpasst hat, für den dürfte noch die eine oder andere Überraschung drinstecken. Wobei nicht einmal die Horrorelemente im Vordergrund stehen, sondern die eigentlich nur das Beiwerk für tiefere menschlichere Abgründe bilden.

Dies macht aus dem eigentlich recht vielversprechenden Setting leider einen "nur netten" Film, der immerhin eine schöne Atmosphäre aufweist, ohne großartigen Special-Effects Schnickschnack auskommt und auch den einen oder anderen kleinen Schreckmoment bietet. Wirklich originell ist er aber leider nicht.

Autor: Carsten Henkelmann
Film online seit: 23.09.2004

Leser-Kommentare

15.05.2007, 17:34:07 Dietmar Kesten

THE VILLAGE- DAS DORF

BESESSENE

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 10.

SEPTEMBER 2004.

Manchmal sieht man nur eine Seite der Sache, nur eine Seite eines Gesichts, und die andere, vielleicht Wesentlichere, bleibt verborgen. In Filmen zeigt man deshalb oft nur diese eine Seite, die nicht eindeutig ist und im Verborgenen bleibt. Im Horrorfilm ist es der Treibsatz für den Obskurantismus und die damit verbundene Kastration der Erkenntnis. Und da im Wald nicht nur die Räuber sind, sondern auch gespenstische Wesen, werden Gesichter zu mysteriösen Kreaturen, die keine Verletzung ihres Territoriums dulden. „The Village - Das Dorf“ handelt von einem kleinen amerikanischen Dorf im 19. Jahrhundert, das durch einen riesigen, nahezu undurchdringlichen Wald von der Außenwelt und von diesen Gesichtern abgeschnitten ist. Der Wald gewährt Schutz und ist Drohung zugleich.

Und da diese kitschige Tröstung eine Verbindung von Einsamkeit und Entrückung darstellt, stellen die Verfremdungseffekte hier eine Art Säuberungsaktion dar, die manchem zwar nicht den Deutungseifer nehmen, der aber simpel erscheint: der Film stellt eine Art übersinnliche Prüfung dar. Angesiedelt ist diese Geschichte der Gesichter in Pennsylvania anno 1897. Ivy Walker (Bryce Dallas HOWARD), eine junge blinde Frau wagt es, den Weg in die Stadt zu suchen, um das Leben ihres Verlobten Lucius Hunt (Joaquin PHOENIX), der schwerverletzt wurde, zu retten. Und nun beginnt nach altbewährtem Strickmuster der Schockthriller von M. Night SHYAMALAN, der bereits für die dubiosen übersinnlichen Streifen “The Sixth Sense“ (1999), „Unbreakable“ (2000) und „Signs“ (2002) verantwortlich zeichnete.

Tatsächlich scheint die Paranormalität im Film Konjunktur zu haben.

Das 21. Jahrhundert beflügelt scheinbar die filmischen Geister. Die, die sich mit Prognosen und kühnen Einschätzungen beschäftigen, die, die Trends vorherzusagen wagen, und die, die sich der apokalyptischen Schau zuwenden. Bereits zur Millenniumswende kamen sie aus ihren Löchern gekrochen, die Weissager, die Propheten, die Seher, Sekten, Grübler und Enthusiasten. Sie malten Schreckensvision an die Wand, verkünden das Ende der Welt, verbreiten Angst und Schrecken, kürten sich zu neuen Hoffnungsträgern. Das Dunkle an sich ist dort der gewaltige Schritt nach vorn, der die kommenden Mysterien in den Schatten stellt. Die Prophezeiungen des Propheten rasen auf die Erde zu. Jene illusionäre Feuersbrunst von der die „Offenbarung des Johannes“ zu berichten weiß: „Da entstand Hagel und Feuer, mit Blut vermischt, und wurde auf die Erde geworfen, und der dritte Teil der Erde verbrannte, und der dritte Teil der Bäume verbrannte, und alles grüne Gras verbrannte.“ (vgl. Offenbarung des Johannes, 8/7)

Die Schrecken sind personifiziert; der Totenschädel, der die apokalyptische Rolle einzunehmen hat, steht dem Guten gegenüber. Alles andere ist nur Geplänkel. Und darum ist dieser Film ein Film voller Ressentiment: gegen Stadt und Zivilisation, ein Mythos der Gegenmoderne, Antimodernismus, eine Mischform von verkappter Sehnsucht und einer längst verlorenen Unschuld. Selbst das kann ihn nicht retten. Er hat keine Poesie, keine Wirkung, wer schuldig wird, bleibt offen, und wer schuldig ist, wird nicht hinterfragt. Der Versuch, HITCHCOCK nachzuahmen, bleibt eine Karikatur. Und Stanley KUBRICK, den SHYAMALAN verehrt, hätte sich hier im Grabe umgedreht.

Die große Hollywood-Tradition feiert in „The Village“ eine Auferstehung, die man kaum glaubt. Nicht „am Anfang war das Wort“, sondern „am Anfang war die Liebe“. Der Dilettantismus in diesem Film bewahrt immer eine Überraschung. Was hier als neuer Anfang beschrieben wird, ist jener Verblendungszusammenhang, den die Bewusstseinsindustrie ständig produziert.

Damit das System weiterfunktionieren kann, muss es auf die gesellschaftliche Reproduktion zurückwirken. Insofern sie den Menschen eine Identität anbietet, in die sie hineinschlüpfen kann, ist es egal, ob der Retter auf der Strecke bleibt, oder als Sieger aus der konterkarierten Willensfreiheit hervorgeht. Es geht irgendwo immer um Spiritualismus, um eine grundlegende Geisteshaltung, um Sinneserfahrungen, die leugnet, dass die Welt der Objekte eine Realität besitzt, die unabhängig vom wahrnehmenden Subjekt ist. Hier wird an die Frühlingswinde appelliert, an die Instinkte, das Gefühl, den Geist, das Spirituelle, an die ‚wahren’ Gefühle im Menschen.

Die globalisierende Weltgesellschaft sitzt auf dem Scheiterhaufen und der brave Konsument soll sich endlich im Film entscheiden, wofür er eigentlich eintritt. Sich mit den ‚Guten’ zu identifizieren und das ‚Böse’ zu verabscheuen, das ist der Thrill. Die Kulturindustrie packt die Menschen bei ihrer Angst, zu fallen, aufzufallen, letztlich bei der Furcht, sich sozial zu isolieren und ausgestoßen zu werden . Der gesellschaftliche Tod naht, und das wissen all diejenigen, die da munter weiter machen, wo vielleicht einst Roman POLANSKI („Rosemaries BABY“, 1967) angefangen hat: Mystifikation und Teufelsfilm, Besessenheit, Triebabfuhr, Schuldgefühle, finstere Häuser, Totenköpfe, undurchdringliche Gestalten und Gesichter. Die Reinigung der Seele, das ist der psychologische Mechanismus der wirkt, der den Antichristen aus „Das Omen“(Regie: Richard DONNER, 1975) Detailreal als Voyeurristen entlarvt. Und überall sind satanische Kräfte am Werk, die eine zusätzliche Quelle von Beunruhigungen und Ängsten hervorrufen, hier ein entstelltes dämonisches Monster, dort als Teufel im Tier.

Die satanische Welteroberung mit teuflischen Anlagen und Handlungen steht der apokryphen biblischen Weissagung des Endes der Welt gegenüber; denn wenn ein Satan auftritt, darf auch die Wiedergeburt eines Christus nicht weit sein, damit sich alles die Waage hält, und die Blitzkarrieren der akademisch-wirtschaftichen Oberschichten ‚gerettet’ werden. Wieder mag es POLANSKI gewesen sein, der der filmischen Pathologie neuen Odem eingehaucht hatte. Sein Schlüssel zur Dunkelheit war in „The Ninth Gate“ (1999) zu bewundern. Die Welt bleibt rätselhaft, nichts ist zu durchschauen, gar zu analysieren. Beunruhigende Ereignisse werden als Handlungsstränge verkauft. Hier erfahren wir etwas über religiöse Symptomatik, Teufels Wiederkehr. Zudem ist das ganze Leben noch versteckt in Sammlungen alter Stiche, die man zum Konflikt erwachsen lässt. Es ist kaum zu glauben, dass das dieser POLANSKI ist, der mit dem Meilenstein „Der Pianist“ (2002) tatsächlich einen Film abgeliefert hatte, der tiefe Gedanken über den Faschismus und das Leiden der Menschen unter diesem entstehen ließ.

Doch hier ist er jemand, der das „Kabarett der Täuschungen“ (Martin GARDNER) durch die Vordertür betritt und mit Riten und exotischen Drogen spielt.

Was soll man bitte schön mit dieser janusköpfigen Seelenheilung anfangen? Das Individuum sinkt hier zu einem bloßen Mittel herab, zu einem notwendigen Übel, zu einem bloßen Exekutor, einer oberflächlichen Charaktermaske ohne eigenen Willen. Der Versuch einer Synthese aus Romantik und Unheimlichem herzustellen, hat unter dem Gesichtspunkt der Irrationalität verschleierten und illusionistischen Charakter. In diesem Film gibt es keine eigene Möglichkeit, sich seiner Individualität zu erinnern, weil ständig das Gesicht auftaucht, welches uns eine selbstverschuldete Unwürdigkeit suggeriert. Selbst wenn die Auflösung zu einer anderen Struktur Zuflucht nimmt, so bleibt das Kino des Unheimlichen, ein Horror-Reißer mit King-Kong Aspekten.

Man darf den Wald nicht betreten und man darf vor allem nicht den hier massenhaft verbreiteten Botschaften, dass wir nur arme Kreaturen sind, widersprechen. Was sind das für Geschichten, die erzählt werden? Eine Gemeinschaft in Abgeschiedenheit, bei der am Ende in einem Liebesschub nur noch Romantik übrigbleibt. Das ist modellbildend, aber für eine Konzeption des Alltags nicht tauglich. „The Village“ hat mehr mit Spiritualität zu tun, als wie es auf den ersten Blick erscheint. Der Angst- und Gruselfaktor hat mehrere verschachtelte Ebenen, die roten Zeichen an Türen sind, gemeucheltes Vieh, Glocken läuten und der Spuk, der um die Häuser zieht. Das wird so lange aufrecht erhalten, bis das Unsichtbare (das Gesicht) zum finalen Überraschungscoup ansetzt. Soll man hier einen Stil akzeptieren, der den reißerischen Effekten des heutigen Hollywood-Kinos mit einer Besinnung auf die Ohnmächte und Schwächen entspricht?

Das, was sich im aktuellen Unterbewusstsein sedimentiert hat (was soll ich nur machen?) zieht sich durch diese Geschichte wie ein roter Faden. Und rot ist auch die vordergründige Farbe in diesem Film, die auch zu den gesichtslosen Wesen passt wie der Dorfrat zu verstehen gibt. Hier hat niemand den Glauben an eine ‚gütige Vorhersehung’ verloren. Die Übersinnlichkeit ist allerdings auch ein Mysterium besonderer Art. Der Regisseur setzt nämlich einfach den Weg seiner bekannten fantastischen Geschichten fort. „Ich sehe tote Menschen!“ war in „The Sixth Sense“ der Beginn des Schreckens, der erfolgreich eingespielt wurde. Hier wirkt alles nur noch aufgesetzter: Luftblasen mit einem existenzphilosophischen Unterbau, die allerdings durch die Beimengung mit der zentrale Liebesromanze nichts am Irrationalismus ändern.

„The Village“ ist in den letzten drei Jahren geschrieben, gedreht, verworfen und überarbeitet worden. Von einer gewissen Empfindlichkeit im Hinblick auf den weltweiten Terror einmal abgesehen, kann man dem Film jedoch nicht bescheinigen, dass er Schlüssel-Geschichten erzählt oder erzählen will. Was Angst heißt, erfahren immer nur die, die unmittelbar am aktuellen Geschehen beteiligt sind oder waren.

Es immer und immer wieder filmisch zu kolportieren, zeigt eine der größten Schwächen des modernen Kinos. Es geht auch um eine Welt ohne Angst. Emotionen können nicht erkundet werden, wenn man im Film ständig auf der Suche nach den Guten und den Bösen ist. Die Versessenheit, das beständig im Film zu hinterfragen, ist die Besessenheit schlechthin. Wenn man der Angst entkommen will, dann kann man nicht immer mit ihr leben. Und keinesfalls akzeptieren. Außenseitertheorien sind manchmal amüsant und phantasievoll. Wenn allerdings die Wissenschaft scharfsinnig wird, wird man in diesem Film kein Körnchen Wahrheit finden.

© 1998 - 2024: Sense of View / Carsten Henkelmann