Film Daten

Titel:
Sin City
Originaltitel:
Sin City
Land & Jahr:
USA 2005
Regie:
Robert Rodriguez Frank Miller
Darsteller:
Bruce Willis
Mickey Rourke
Clive Owen
Jessica Alba
Jaime King
Benicio Del Toro
Weitere Infos:
IMDB  OFDB

Sin City

(Ein Kurzreview von Carsten Henkelmann)

Drei Schicksale in Sin City: Inspektor Hardigan (Bruce Willis) stellt einen Kinderschänder, wird aber hintergangen und sitzt für 8 Jahre hinter Gittern. Als Marv (Mickey Rourke) die hübsche Goldie (Jaime King) tot in seinem Bett findet, schwört er Rache an dem Mörder. Nur sucht ihn bereits die Polizei, da sie denken, dass er der Täter war. Dwight (Cliff Owen) jagt hinter Jackie Boy (Benicio Del Toro) her, weil der Dwights Freundin quälen wollte. Im Prostituiertenviertel wird er gekillt, aber als sich herausstellt, dass er ein Cop ist, muss Dwight alles daran setzen, den Verdacht von den Mädchen abzulenken...

"Sin City" ist nicht nur das Meisterwerk unter den Comicverfilmungen, sondern auch ein Meisterwerk in der Filmlandschaft überhaupt. Im harten schwarz-weiß Kontrast werden drei brutale Geschichten erzählt, die von grandios agierenden Schauspielern getragen werden. Durch die im filmischen Bereich vollkommen neue, unkonventionelle und vor allem unkommerzielle Inszenierungsweise (alles bis auf ein paar Signalfarben ist monochron gehalten) wirken die Episoden noch intensiver. Die Düsternis der Comics wurde fast perfekt auf die Leinwand gebracht und als Kenner der graphischen Vorlage verfällt man geradezu in Entzückung wenn man sieht, wie nah man sich an den Zeichnungen Frank Millers hielt. Hier passt einfach alles, keine Sekunde, kein Element erscheint überflüssig. Der Film des Jahres! Unbedingt ansehen!

P.S.: hier und dort fiel der Begriff "der neue Pulp Fiction". Dies ist in Hinblick auf die chronologische Strukturierung und der Mitwirkung von Bruce Willis vielleicht nicht unbedingt an den Haaren herbeigezogen, aber ansonsten haben diese Filme so gut wie nichts gemeinsam.

Autor: Carsten Henkelmann
Film online seit: 23.08.2005

Leser-Kommentare

15.05.2007, 17:19:57 Dietmar Kesten

SIN CITY

DIE BILDERWELT DER ANGST

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 13. AUGUST 2005.


Robert RODRIQUEZ ist auch nicht mehr das, was er war.Zusammen mit Quentin TARANTINO und Frank MILLER versucht er sich mit einer neuen Form von Kino.

Hätte man alles gesehen, dann gäbe es in der Tat kein Kino mehr. Bei allen vermeintlichen Neuerungen sei doch darauf hingewiesen, das es immer das Erste und das Endgültige ist, das ins Auge springt. Meistens ist es die Entdeckung diese Momente, die darüber entscheiden, ob ein Film angenommen
wird oder nicht.

Natürlich fällt es dem Kino des 21. Jahrhunderts immer schwerer, der von so vielen Medien gejagten Realität wenigstens noch die Augenblicke abzutrotzen, die das Unerwartete, Nochniegesehene zeigen. Es scheint auf den ersten Blick so, dass „Sin City“ diese Neuerung wagt. Der zweite Blick ist dann schon anders.

RODRIQUEZ hatte einst mit seinem Epos
„Irgendwann in Mexiko“ (2002) für Furore gesorgt, weil er den Versuch unternahm, die Charaktermasken der Gewalt zu enttarnen, deren Funktionalität aufzeigte und ihre sich selbst überstülpten Gesichter ad absurdum führte. Wenn Gewaltfreiheit im Kino einziehen soll, dann kann Gewalt nicht das Mittel sein, sie immer wieder, und sei es durch Hintertürchen zu propagieren, sie wie ein
Krebsgeschwür von Film zu Film mitzuschleppen.
Es mag sein, dass diese Interpretation eigenwillig ist,
dass sie ins Kino der Moderne, die auf Gewalt
insistiert, nicht hineinpasst und im Überangebot der Bilder allenfalls als Ergebnis diese Unverrückbarkeit postuliert.

Die propagandistischen Geniestreiche des Cinema sind wie Kopfgeburten einer gesellschaftlichen Transformation, ein Bündel von Widersprüchen, die jede Glaubwürdigkeit zu verlieren droht, wenn erst einmal die Weltmaschine der Gewalt ihre Räder ineinander zu verzahnen beginnt.

RODRIQUES ist leider so brutal und nackt wie ein
Bleirohr geworden. Da hilft es auch nicht, wenn er sich Mitstreiter ins Boot holt. In „Sin City“, einem Ort der verlorenen Seelen, blüht die Gewalt mit soviel Tempo, dass sie alle (Über-)Lebensbedingungen zu verwandeln droht.

Eine Story scheint es auch zu geben, die in 3 Episoden erzählt wird. Das Böse schläft hier nicht.
Überall lauert die Eiseskälte, eine latente Grundstimmung der Kühlheit, der Bosheit mit Kniffen und Finten.Die Stadt ist ein Sünderpfuhl, worin ein traumatisches Bildgewand eingepresst ist. Beim Publikum hinterlassen diese Schatten allenfalls
Hinweise auf ein abgekartetes Intrigenspiel; denn am
Schicksal dieser Figuren, die ohne Herz daherkommen, werden sich Befürworter und Gegner von Sin City“ scheiden. „Sin City“ ist Kino der Stilisierten, Bilder der schwarz-weiß Töne, nichts besonders, wenn an die Anfänge des Kinos gedacht wird.

Lediglich um einige Nuancen erweitert (schimmernde
Silbertöne mit roten Farbtupfern) erscheint der Eindruck zu entstehen, dass hier etwas Besonderes entstanden ist. Doch weit gefehlt. Was den Bilderrausch anbelangt, so ist er zusammengebastelt
und computerisiert, künstlich erschaffen und zusammengehalten. Man sieht fast an jeder Szene, dass selbst Frank MILLER auf den Videothekar TARANTINO zurückgreift, der schon in „Kill Bill“ gallonenweise Blut ausschüttete und mit blassen Darstellern agierte.

In „Sin City“ setzt sich dieses traumatische Bildgeflecht fort. Die Figuren bekommen einen maßgeschneiderten Anzug verpasst, der verkaufsfördernd wirkt. Es ist eine Maskerade der Naivität, die schal ist und ohne Schwung. Hier herrschen blinde Männer, die Frauen retten wollen.
Damit der Reiz des angeblichen Novums nicht
verpufft, hat RODRIQUES das getan, was in den
Comics von Frank MILLER zu sehen ist: dicke
Schlitten, großkalibrige Pistolen und Frauen, die sexy sind, umrahmen seinen Film.

Und immer wieder sind die Gewaltexzesse, die einem
die Luft zum atmen nehmen. Bruce WILLIS wird aufgehängt, Mickey ROURKE durchlöchert und aufgeschlitzt, Benecio DelTORO wird um einen Kopf kürzer gemacht usw.Man sieht abgehackte Beine, an denen sich Wölfe weiden, herausgerissene Hoden, Pfeile, die in den Herzen und Köpfe stecken bleiben, Arme, die durch die Luft segeln und andere Körperteile, die sich in Blutlachen auf dem Boden sammeln.

Hier verkommt das Kino endgültig zur Lächerlichkeit.
Diese ‚Geniestreiche’ des Cinema sind Kopfgeburten
einer gesellschaftlichen Transformation, ein Bündel
von Widersprüchen, die jede Glaubwürdigkeit zu
verlieren droht, wenn erst einmal die Weltmaschine Gewalt ihre Räder ineinander verzahnt. Indes hilft der Cocktail aus Film Noir und computerisiertem
Digitalverfahren nicht mehr weiter. Die Bilder führen gnadenlos in das Verderben.

Dass man den menschlichen Abgründen noch morbide
Schönheit abverlangen will, was der Film im übrigen
unterschwellig suggeriert, ist eine schreckliche
Vorstellung, selbst dann, wenn man im graphischen Schnitt virtuose Comic-Bilder erkennen sollte.
Der Versuch eines (neuen) Ästhetizismus, dem
viele Kritiker huldigen, dürfte als gescheitert betrachtet werden. Dieser schwarz-weiße Kinoanzug, der sich auf graue und schmutzige Wände legt, war im übrigen schon in „Metropolis“ (Regie: Fritz LANG, 1927) oder im „Dritten Mann“ (Regie: Carol REED, 1949) zu sehen.

Insofern gibt es hier nichts geniales zu sehen.
„Sin City“ ist auch kein bahnbrechendes Experiment, dass das nur rein Visuelle herauszustellen meint.
„Sin City“ besitzt kein Herz. Deshalb flüchten sich die Regisseure in hemmungslose Gewaltorgien.
Willkommen in der Chirurgieabteilung der galligen Suppe und übler Gerüche. „Sin City“ ist eine Zumutung für alle Cineasten.

Fazit: Die Geschehnisse sind brutal. Menschen werden von Wölfen gefressen, Frauen ausgepeitscht
und Männern Hoden herausgerissen. Wer dem was abgewinnen sollte, der dürfte nicht verstanden
haben, dass der Film, der mit Enthusiasmus
gefeiert wird, nur Alpträume fabriziert. Hollywood schafft keine Hoffnungen mehr. In dieser angst- und sorgenvollen Zeit ist der Film ein Schlag ins Gesicht. Und er hinterlässt nur Kopflosigkeit, Ratlosigkeit und Schrecken.

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