Film Daten

Titel:
Hotel Ruanda
Originaltitel:
Hotel Rwanda
Land & Jahr:
USA / England / Italien / Südafrika 2004
Regie:
Terry George
Darsteller:
Don Cheadle
Sophie Okonedo
Nick Nolte
Fana Mokoena
Joaquin Phoenix
Desmond Dube
Weitere Infos:
IMDB  OFDB

Hotel Ruanda

(Ein Kurzreview von Carsten Henkelmann)

Paul Rusesabagina (Don Cheadle) ist der Hotelmanager des Hotels des Mille Collines in Kigali/Ruanda, als eines Nachts der Präsident des Landes von Tutsi-Rebellen ermordet wird und ein Bürgerkrieg ausbricht, der sich schnell in einen handfesten Völkermord verwandelt. Er bringt sich und seine Familie in das Hotel und nimmt auch weitere unzählige Flüchtlinge auf. Verzweifelt versuchen sie dort zu überleben und eine Möglichkeit zur Flucht aus dem Land zu finden und geraten dabei des öfteren in Lebensgefahr ...

"Hotel Ruanda" ist glücklicherweise kein Film, der leicht zu konsumieren wäre oder der teilnahmslos an einem vorbeizieht, sondern stellenweise recht harter Tobak. Der Film verzichtet auf platte Schockeffekte, sondern stellt vielmehr den physischen und vor allem psychischen Terror dar, den Menschen in einer Extremsituation zu durchleiden haben. Im Mittelpunkt steht zwar ein "Held", aber keiner der strahlenden Art, dem alles mit Leichtigkeit gelingt. Nach außen hin versucht Paul den Schein von Souveränität zu wahren und das Hotel am Laufen zu halten. Aber in einer bemerkenswerten Schlüsselszene sieht man deutlich, dass auch er - nach einer grausigen Entdeckung am Morgen - nervlich am Ende ist und kurz davor steht unter dem Druck zu zerbrechen. Der Film setzt einem Mann ein Denkmal, der sich für Menschlichkeit und das Leben unzähliger Menschen einsetzte und damit zum Glück auch erfolgreich war. Dabei zeigt der Film nicht mal ansatzweise die Grausamkeiten, die sich damals wirklich zutrugen, davon erfährt man höchstens in Dialogen. Aber das allein reicht schon aus um einen dicken Kloß im Hals zu verursachen. Ein Film den man gesehen haben sollte.

Autor: Carsten Henkelmann
Film online seit: 29.01.2006

Leser-Kommentare

17.05.2007, 12:00:19 Dietmar Kesten

HOTEL RUANDA

SCHREIE IN DER GESCHICHTE

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 14. MAI

2005.

1994 wurden ca. 1 Million Tutsi von der Bevölkerungsgruppe Hutu in einem grausamen Bürgerkrieg in Ruanda abgeschlachtet. Während die Weltöffentlichkeit schweigte, niemand ernsthaft Notiz von diesem Völkermord nahm, alle westlichen Regierungen schwiegen und die Eingreiftruppen (UN) nahezu in Lethargie verharrten, ging das Leben der Menschen den gewohnten Gang. Sie machten sich aus der Geschichte davon, so wie sie gekommen waren. „Hotel Ruanda“ von Terry GEORGE („Mütter und Söhne“, 1996, „die Hölle Vietnams“, 1998) basiert auf einer wahren Geschichte. Der Hotelmanager Paul Rusesabagina (Don CHEADLE) leitet ein Hotel und rettet in einem Akt der Zivilcourage hunderte von Menschen inmitten des Bürgerkriegs das Leben. Während er seinen Geschäften nachgeht, hilfsbereit gegenüber der Politik und den Militärs ist, muss er erfahren, dass sein Opportunismus keine wirkliche Lösung in diesem Konflikt darstellt. Mehr und mehr bricht die Gewalt aus. Immer mehr Tutsis aus seiner unmittelbaren Nachbarschaft suchen Schutz bei ihm. Durch sein unerbittliches Engagement erweist er sich als Retter.

Filme über Grauen, über Massaker und Völkermord können immer nur aufrütteln, sie können niemals auch nur einen Bruchteil der Realität wiedergeben, oder das Undarstellbare darstellen. „Hotel Ruanda“ schafft es zwar, das Leiden zu vermitteln, doch das Publikum leidet nur bis an der Grenze des Erträglichen mit. Das Gezeigte erschüttert, oder soll bis ins Mark erschüttern. Aber angesichts ähnlicher Situationen (Dafur) tritt schnell der Alltag des Denkens ein: die Verabschiedung aus der Geschichte, die Weigerung der westlichen Regierungen zu helfen und in einem Akt der Barmherzigkeit, die Mörder zur Rechenschaft zu ziehen.

Über „Hotel Ruanda“ mag man ähnliches einwenden können wie bei „Schindlers Liste“ (Regie: Steven SPIELBERG, 1993). Geschichte wiederholt sich, filmisch ist jede Form des Genozids nicht einzufassen, Ereignissen solch einer Dimension kann man nie gerecht werden, jede „Inszenierung“ ist zum Scheitern verurteilt, jeder Konflikt mit diesen Ausmaßen entflammt aus Neue ähnliche Debatten, die über das reale Grauen in den Konzentrationslagern, den Völkermorden auf dem Balkan, in Kurdistan und anderswo auf der Welt.

Aber vielleicht geht es gar nicht darum? Eigentlich geht es um das Vergessen. Vergessen einzelner Menschen und ihrer Leiden; denn das Vergessen kann nie rückgängig gemacht werden. Es bleibt wie ein Hall in der Geschichte zurück. Und mit dem Vergessen geht die Erinnerung einher und die dazu gehörende Verbitterung, als Gemarterter zurückzubleiben, weil der Schrei des Grauens nicht nur von der Weltöffentlichkeit ignoriert wird, sondern auch von jedem anderen Individuum. Erbitterung ist immerfort vorhanden. Sie lässt sich nicht abschütteln. Und so kämpft der verzweifelte Mensch gegen die alles zermalmende Zeit an, in der sich die ungesühnten Verbrechen wie Sedimente abzulagern beginnen und immer sichtbar bleiben.

Wie ein unvorstellbarer, unerklärlicher Einbruch, so muss der Einbruch von Mittelalter und Barbarei in der Moderne wirken. Alle Schlächtereien seit dem 19. Jahrhundert müssen als Vorboten einer Zeit gedeutet werden, in der es um unsere Zukunft geht und um das Überleben in einer Welt, die sich selbst dem Abgrund entgegenführt. An den Antworten der Politik auf diesen Schub der Barbarisierung klebt nicht nur das Blut der Aufklärung, sondern auch die mechanistische Fortschrittsideologie, die jene endlose Modernisierung sichtbar macht, in der erst jene ungeheure Aggressivität entstehen konnte, die Weltkriege, Holocaust, Massaker, Krisen und Schrecken möglich machten. Der Film rüttelt auf, aber er erklärt die Abgründe nicht, in die wir hineinfallen. Das letzte ist das logische Ergebnis eines toten Planeten, der stumm seine Bahnen um die Sonne zieht.

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