Film Daten

Titel:
Tetsuo - The Iron Man
Originaltitel:
Tetsuo - The Iron Man
Land & Jahr:
Japan 1989
Laufzeit ca.: ?
67 Min.
Regie:
Shinya Tsukamoto
Darsteller:
Tomorowo Taguchi
Kei Fujiwara
Nobu Kanaoka
Renji Ishibashi
Naomasa Musaka
Shinya Tsukamoto
Alternativtitel:
• Tin Man
Weitere Infos:
IMDB  OFDB

DVD Daten

DVD Cover - Rapid Eye Movies
Label:
Rapid Eye Movies
Regionalcode / Norm:
2 / PAL
Bild / Zeit:
1.33:1 / 67:11
Sprachen/Ton:
Deutsch - DD 5.1
Deutsch - DTS
Japanisch - DD 2.0
Untertitel:
Deutsch
Extras:
  • Kurzfilm "The Phantom of Regular Size"
  • Deleted Scenes
  • Trailer
  • "Electric Dragon 80.000 V" + Extras auf zweiter DVD

Tetsuo - The Iron Man

(Ein Review von Carsten Henkelmann)

Ein Büroangestellter (Tomorowo Taguchi) entdeckt eines Morgens beim Rasieren eine Art kleinen Splitter in seiner Wange. Auf dem Weg zur Arbeit wird er dann von einer Frau (Nobu Kanaoka) verfolgt und angegriffen, deren Hand nur aus Metall und Schläuchen besteht. Im Laufe der nächsten Stunden transformiert sich aber auch sein Körper mehr und mehr zu einem metallenen Gebilde, bis er einem anderen transformierten Mann, dem "Metal Fetishist" (Shinya Tsukamoto) gegenüber steht...

Tetsuo - The Iron Man - ScreenshotTetsuo - The Iron Man - Screenshot

Den japanischen Experimentalfilm Tetsuo: The Iron Man mit Worten zu beschreiben fällt schwer. Konzentriert man sich auf die Story alleine, könnte man es nur mit "Mann verwandelt sich in Metall-Monster und muss gegen einen anderen kämpfen" umschreiben und das klingt nun wahrlich nicht spannend. Vielmehr ist es nicht der Inhalt, sondern die Form, die Art wie die Geschichte in Bild und Ton erzählt wird, die Tetsuo zu einem ganz besonderen Film machen. Einfach zu erklären ist aber auch das nicht.

In kontrastreichen schwarz-weiß-Bildern wird die Geschichte eines Mannes erzählt, der entdecken muss, dass in seinem Körper eine ganz außergewöhnliche Veränderung vor sich geht. Namen der einzelnen Charaktere werden nie genannt, überhaupt kann man die Dialoge fast an einer Hand abzuzählen, geredet wird nicht viel und man braucht eigentlich fast keine Untertitel oder eine Synchronisation. Zunächst weiß man auch als Zuschauer nicht, warum das alles passiert. Ein besonderes Ereignis in der Vergangenheit ist der Auslöser für alles, aber auch dies muss sowohl von dem Angestellen wie auch dem Zuschauer erst wie ein Puzzlespiel zusammengesetzt werden.

Tetsuo - The Iron Man - ScreenshotTetsuo - The Iron Man - Screenshot

Ähnlich wie der Kanadier David Cronenberg in einigen seiner bekanntesten Werke stellt Regisseur Shinya Tsukamoto die Symbiose von Technik und Mensch in den Mittelpunkt, nicht umsonst waren Cronenbergs Videodrome und Die Fliege (Die Fliege) zwei große Einflüsse für Tsukamoto. Zu Beginn sieht man den Metal Fetishist, wie er sich einen Metallschlauch in seinen eigenen Oberschenkel setzt. Dem Büroangestellten wächst mit der Zeit ein mörderischer und rotierender Metallpenis, eine Art Feuerdüsen an den Hacken und fast der komplette Körper wird gegen Ende komplett von Metall bedeckt sein. Bei dem Metal Fetishist ist die Entwicklung ähnlich, nur das er nicht mit Angst und Panik darauf reagiert, sondern die Veränderungen bewußt herbeigeführt hat und sogar begrüßt. Daher sieht sein Aussehen auch etwas kontrollierter aus, während es bei dem Angestellten an eine Art metallener Pilzbefall erinnert.

Solche Transformationen des menschlichen Körpers mögen an japanische Manga-Comics oder Animes erinnern und manche der in Tetsuo eingesetzten Filmtechniken wie Zeitraffer oder Stop-Motion-Animationen lassen an eine Realversion eines Animes denken. Japan ist bekanntermaßen ein Land, in dem uralte Traditionen und hochmoderne Technik nebeneinander exisitieren. Die Japaner sind ein Volk, das gerne jede neue Technologie ausprobiert und entwickelt. In Tetsuo kann man aber auch eine Angst vor der Technik erkennen. Eine Angst, dass der Mensch irgendwann ohne die Technik nicht mehr exisitieren kann, von ihr abhängig ist und die Technik irgendwann sein komplettes Leben bestimmt. Und auch die Atombombenabwürfe über Japan schwingen hier unterschwellig mit, denn die Angst vor einer unbeeinflussbaren Veränderung des menschlichen Körpers zu etwas Groteskem hat dort sicherlich ihren Ursprung.

Tetsuo - The Iron Man - ScreenshotTetsuo - The Iron Man - Screenshot

Tetsuo ist kein Film für jedermann, denn er entzieht sich jeder Mainstream-geformten Sehgewohnheit. Ein gewisses Faible für "andere" Filme sollte man schon besitzen, wer die Filme von z.B. David Lynch oder David Cronenberg mag, ist zumindestens zur Hälfte auf der sicheren Seite. Die Handlung verläuft zwar weitestgehend linear, aber die teils hektische Kameraführung, die blutigen bis ekelhaften Szenen der Verstümmelungen und Verformungen und die wilde Nutzung unterschiedlicher Filmgeschwindigkeiten in Verbindung mit dem maschinell klingenden Soundtrack lassen den Film fast zu einem Erlebnis werden, dass man körperlich miterlebt. Ein lautes Aufdrehen der Soundanlage wird dringenst empfohlen!

Im Gegensatz zu den Regisseuren der Generationen vor ihm, war Shinya Tsukamoto kein Lehrling des Studiosystems, der sich erst langsam hocharbeiten musste, um seinen ersten Film drehen zu dürfen. Tsukamoto brachte sich das Filmen selber bei, ausschlaggebend war der Besitzt einer Super-8-Kamera seines Vaters, die er sich ständig auslieh. Ähnlich wie z.B. Peter Jackson drehte Tsukamoto mit Freunden kleine unspektakuläre Filmchen, die kaum jemand zu sehen bekam. Aber mit der Produktion der Kurzfilme Futsu saizu no kaijin (The Phantom of Regular Size) und Denchu Kozo no boken (The Adventure of Denchu Kozo) 1986 bzw. 1987, die auf einem japanischen Filmfestival gezeigt wurden, wurde er langsam einem größeren Publikum in Japan bekannt. Fast parallel zu Denchu Kozo no boken entstand auch schon mit der gleichen Crew der lange geplante Tetsuo.

Tetsuo - The Iron Man - ScreenshotTetsuo - The Iron Man - Screenshot

Der Film wurde in der Wohnung von Kei Fujiwara gedreht, die hier die Geliebte des Büroangestellten spielt und eine unliebsame Begegnung mit seinem Metallpenis hat. Hier setzte Tsukamoto zum ersten Mal das 16mm Format ein, nachdem seine vorherigen Filme alle auf 8mm entstanden und somit für Kinovorführungen nicht tauglich waren. Tetsuo: The Iron Man ist im Grunde genommen eine neue Version seines Kurzfilms Futsu saizu no kaijin (The Phantom of Regular Size), allerdings wurde die Produktion von Tetsuo einige Schritte professioneller durchgeführt. Dazu gehörte auch das verbesserte Make-Up, das aber seinen eigenen Probleme mit sich brachte. In stundenlanger Arbeit wurde Tomorowo Taguchi mit Metallstücken und Elektronikschrott zugepflastert, was am Ende dann alles so schwer war, das er sich nicht von dem Stuhl erheben konnte! Zudem wurde zwischen seiner Haut und den Metallstücken doppelseitiges Klebeband verwendet, was sich als extrem schmerzvoll für ihn erwies.

Das Grundgerüst des Films stand nach vier Monaten Dreharbeiten, aber nach einem ersten Rohschnitt fiel Tsukamoto auf, dass ihm doch einiges an Material fehlte. Inklusive aller Nachdrehs zog sich die Produktion über 18 Monate. Dies drückte auch auf die Stimmung der Crew, denn fast alle lebten auch in der Wochnung von Kei Fujiwara, was natürlich mit der Zeit zu Spannungen führte. Teilweise musste Tsukamoto einigen Szenen komplett alleine fertigstellen, weil niemand mehr da war. Auch das zur Verfügung stehende Geld war ein Problem und erst nachdem er einen Promo-Trailer einer Videofirma gezeigt hatte, waren sie bereits ihm gegen die weltweiten Rechte das Geld für die Fertigstellung des Tons und der Musik bereitzustellen. Für den Soundtrack engagierte er Chu Ishikawa, dessen Haupteinflüsse damals unter anderem auch deutsche Bands wie Einstürzende Neubeuten oder DAF waren.

Tetsuo - The Iron Man - ScreenshotTetsuo - The Iron Man - Screenshot

Im Juli 1989 sollte der Film dann erstmals in einem kleinen Programmkino gezeigt werden. Vorher gab Tsukamoto aber dem Filmkritiker Yoichi Komatsuzawa eine Privatvorstellung, da der als Kenner von Horror und Science Fiction Filmen bekannt war. Der bat um die Erlaubnis, den Film dem Kommitee des FantaFestivals in Rom vorzuschlagen, wo er auch angenommen und während des Festivals im Juni 1989 auch gezeigt wurde. Dies war der Schlüsselpunkt in Tsukamotos Leben als Regisseur, denn dort wurde Tetsuo: The Iron Man als bester Film des Festivals ausgezeichnet. Tsukamoto war allerdings aus Geldmangel in Japan geblieben und konnte so an der Preisverleihung nicht teilnehmen. Aber auch für die damals brach liegende japanische Filmindustrie bedeutete dies einen neuen Aufschub, denn japanische Filme rückten erstmals seit Jahren wieder in den Mittelpunkt des internationalen Interesses. Daran halfen aber auch zeitgleich oder kurze Zeit später entstandene Filme wie Akira oder Takeshi Kitanos Violent Cop mit.

Nach Tetsuo folgte zwei Jahre später Yokai Hanta - Hiruko (Hiruko the Goblin) und wiederrum zwei Jahre weiter das offizielle Sequel Tetsuo II: Body Hammer. Später drehte er dann noch unter anderem Tokyo Fist, Bullet Ballet, Sôseiji (Gemini) und Rokugatsu no hebi (A Snake of June). Chu Ishikawa komponierte bis auf Yokai Hanta - Hiruko (Hiruko the Goblin) zu allen Tsukamoto-Filmen die Soundtracks, aber auch zu Filmen wie Dead or Alive 2: Tôbôsha (Dead or Alive 2: Birds). Hauptdarsteller Tomorowo Taguchi ist heutzutage ein gefragter Schauspieler in Japan und hat unter anderem neben Tsukamotot-Produktionen noch in Filmen wie Dangan ranna (D.A.N.G.A.N. Runner, Wie eine Kugel im Lauf) oder dem Horrorthriller Tomie mitgewirkt. Kei Fujiwara drehte 1996 ihren eigenen Film Organ.

Tetsuo - The Iron Man - ScreenshotTetsuo - The Iron Man - Screenshot

Wollte man bislang Tetsuo: The Iron Man auf DVD besitzen, so bliebt nur ein Einkauf im Ausland, wo der Film z.B. in Frankreich oder Großbritannien oder auch in den USA und natürlich in Japan auf DVD erhältlich war. Dies kann man sich aber jetzt durch die deutsche DVD von Rapid Eye Movies ersparen. Ein Wort über die Bildqualität zu verlieren fällt nicht gerade leicht, da der Film auf grobkörnigem 16mm Material gedreht wurde und dies auch durch modernste DVD-Technologie nicht ausgemerzt werden kann. Auffällig sind nur die Bewegungsunschärfen, die evtl. auf eine Normkonvertierung zurückzuführen sind. Die allgemeine Schärfe ist dadurch und durch das erwähnte Filmmaterial kaum über dem Durchschnitt, aber mehr war auch kaum zu erwarten. Der Kontrast hingegen ist ganz okay, erscheint aber stellenweise als zu steil. Dies kann aber ebenso in der Produktion des Films begründet liegen.

Richtig Laune macht dann der Ton, aber das auch nur bei den beiden deutschen Tonspuren in Dolby Digital 5.1 und DTS. Der japanische Originalton ist natürlich auch vorhanden, nur klingt der durch seine Stereoabmischung im Gegensatz dazu deutlich dünner und schwächer. Die Synchronisation ist akzeptabel, aber da in dem Film eh kaum geredet wird, auch nicht weiter wichtig. Der Sound kommt bei den Surround-Abmischungen mit einem richtig schönen Wums aus den Lautsprechern, auch wenn die Stereofront oder bidirektionale Effekte eigentlich kaum genutzt werden. Der DTS-Track ist dabei sogar noch eine Spur wuchtiger als die 5.1-Spur.

Tetsuo - The Iron Man - ScreenshotTetsuo - The Iron Man - Screenshot

Die Extras beginnen schon gleich mal hochinteressant mit dem Kurzfilm Futsu saizu no kaijin (The Phantom of Regular Size), der ja quasi die Vorlage von Tetsuo war. Mit gerade mal 4 Minuten Länge passiert hier natürlich noch nicht viel und alles wirkt sehr hektisch aneinandergeschnitten. Aber durch die Nähe in der Handlung und den gleichen Hauptdarstellern ist doch erkennbar, dass beide Filme von dem gleichen Regisseur stammen. Die Bildqualität ist nicht gerade berauschend, anscheinend diente ein altes Videoband als Grundlage, aber in Bezug auf Tetsuo trotzdem ein sehr interessantes Extra. Weiter geht es mit nicht ganz 10 Minuten an Deleted Scenes. Dabei handelt es sich aber eigentlich nur um längere Versionen der Verfolgung des Mannes durch die Frau am Bahnhof und der Sexszene zwischen ihm und seiner Freundin. Vollkommen unbekannt ist dagegen eine kurze Sequenz in der man sieht, wie ein Arzt, der im Film nur ganz kurz auftaucht, vom Metal Fetishist umgebracht wird. Als Abschluß des Bonusmaterials gibt es dann noch den Trailer zum Film.

Quellennachweis

Tom Mes: Iron Man - The Cinema of Shinya Tsukamoto

Autor: Carsten Henkelmann
Film online seit: 21.01.1999
Letzte Textänderung: 09.09.2005

Leser-Kommentare

10.11.2005, 09:27:25 Evil Wraith

Der mangelhaften Interpretationswürdigkeit muss ich widersprechen: Wir haben auch in diese Film eine Menge Metaphern versteckt, den Begriff "Iron Man" selbst mit eingeschlossen. Wir haben den Hochleistungssportler, der besessen von der Idee des Iron Man ist (Siehe auch die Bilder von Carl Lewis & Co in seinen metallenen Gehirnwindungen) und andererseits den von der modernen Technik überrollten Normalmenschen, der langsam die Kontrolle über sich und sein Umfeld verliert. So ganz ohne Hirn dürfte Shinya Tsukamoto seinen Film nicht gedreht haben...

10.09.2005, 11:50:41 immi666

chu ichikawa (soundtrack) ist member
des japanischen INDUSTRIAL - projekts
"DER EISENROST"...
für TETSUO gelang ihm ein exquisiter
"post - industrial" - sound.

09.03.2005, 19:13:19 jogiwan

"Tetsuo", das Filmchen über Verkehrs- und Piercing-Problematik ist zwar sehr kunstvoll gemacht, langweilt jedoch leider aufgrund seiner extrem experimentiellen Machart. Mir ging dieses permanente Stop/Motion/Zeitraffer/Rückblenden-Dings jedenfalls nach 15 Minuten schon etwas auf die Nerven. Die Anleihen an "eraserhead" sind unverkennbar, jedoch fehlt hier meines Erachtens leider die interpretationswürdige und -fähige Story, die zum Beispiel "ereaserhead" für den Zuseher so interessant macht.

Und so bleibt unterm Strich nur ein überambitionierten Experimentalfilm mit Industrial-Flair und vielen interessanten optischen Effekten und Einfällen, das leider trotz seiner 65 minütiger Laufzeit zu lange geraten ist um auf die Gesamtspielzeit den Zuseher zu fesseln, oder besser gesagt faszinierend zu wirken.

Trotzdem habe ich das Sehen keines Wegs bereut und Freunde von aussergewöhnlichen asiatischen Filmen sollten sowieso schleunigst nach dieser Scheibe Ausschau halten.

20.09.2004, 22:46:16 Urusei

Tetsuo ist hypnotisch wie die Schlusssequenz (Friedhof) aus Leones "the good, the bad and the ugly", doch Tetsuo enthält keine Vorgeschichte - Tetsuo ist abstrakt. Tsukamoto hat im Grunde den Helden in zwei künstliche Wesen getrennt (Otaku und Fikusa) und führt uns deren Wiedervereinigung vor - die neue Welt...

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