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(Ein Review von Frank Meyer)
Die Vorgeschichte: Irgendwo im ländlichen Spanien werden sieben Kinder vermisst. Als die Polizei schließlich eines von ihnen in einem Waldstück aufgreift, hofft man, das Verbrechen aufklären zu können. Doch die Aussage des völlig verstörten Jungen ergibt keinerlei Sinn und so bleiben die anderen sechs spurlos verschwunden.
40 Jahre später kehrt eine amerikanische Familie in die spanische Heimat des Papas zurück und bezieht ein altes Haus, das dem Anschein nach über Jahre unbewohnt war. Während die heranwachsende Tochter Regina unschlüssig ist, ob sie nun bei ihrer Familie bleiben oder in die Vereinigten Staaten zurückkehren und dort ihre Schwimmkarriere vorantreiben soll, hat ihr kleiner Bruder Paul ganz andere Sorgen. Ihn plagt nämlicher neuerdings eine bisher nicht gekannte Angst vor der Dunkelheit, die wie er seiner Schwester zu erklären versucht, im neuen Wohnsitz irgendwie anders ist. Die Situation verschärft sich, als Vater Mark unter zunehmend heftigeren Anfällen leidet, die vielleicht doch nicht in Verbindung mit seiner Huntington-Erkrankung steht. Derweil rückt die große Sonnenfinsternis näher, die erste seit 40 Jahren...
Sie ist hier irgendwie anders, die Dunkelheit - sie frisst meine Stifte.
- Paul.
Der spanische Regisseur Jaume Balagueró traut sich was. Für seinen zweiten Spielfilm bedient er sich bei so ziemlich allem, was das klassische Gruselkino zu bieten oder in den letzten Jahren erfolgreich gemacht hat. Nicht dass mit Darkness nun ein schlichtes Plagiat sein hässliches Haupt heben würde, aber rein inhaltlich hat man es hier mit einer ganz und gar typischen Geisterhaus-Story zu tun, die mit jenen Asia-erprobten Schnitt- und Montagetechniken angereichert wurde, wie man sie zuletzt reichlich in Filmen wie Ju-On, The Eye oder Hideo Nakatas Original Ring-Filmen erleben durfte. Ihr Einsatz ist in Spanien nicht weniger effektiv als in Fernost, und so verfügt Darkness über beachtliches Spannungspotential mit einem ordentlichem Gruselfaktor, der die Mehrzahl handzahmer Leinwandschrecken, mit denen Hollywood uns das Fürchten lehren möchte, locker toppen kann. Nur in punkto Originalität schneidet Balaguerós Schocker kaum besser ab als ein weiteres William-Castle-Remake oder der x-te Halloween-Klon.
Tatsächlich könnte man bedenkenlos sämtliche Haunted-House-Filme der letzten 30 Jahre als Referenz anführen. Egal ob die Grundthematik des neuen Heims (Amityville 1-8 plus Remake, The Changeling, usw.), der Persönlichkeitswandel der Bewohner (Shining), unheimliche Geisterfotos (The Omen, Ringu, Shutter) oder die Szene im Kinderzimmer (Poltergeist), all das sind hinlänglich bekannte Genre-Standards, die man so oder ähnlich aus dutzenden von Horrorfilmen kennt. Für die Idee mit den beunruhigenden Kinderbildern musste die Kreativabteilung sicher ebenso wenig Überstunden schieben wie für die Vorgeschichte mit den verschwundenen Kindern (schon zu Blair Witch-Zeiten alles andere als neu). Letztere erlebte übrigens 2002 nicht nur in Darkness, sondern auch im thematisch ähnlich gelagerten Der Fluch von Darkness Falls (2002) ein Update.
Aber nicht nur amerikanische Vorbilder ließen sich anführen. Mit einem okkultistisch-vorbelasteten Haus atmet Darkness bspw. den Geist europäischer Klassiker wie Dario Argentos Horror Infernal (Inferno, 1980). Ebenso wie der Regisseur selbst; denn schließlich hat das Genre-Kino auch in Spanien eine lange Tradition, die von B- und C-Movie-Prominenz wie Reitende-Leichen-Dompteur Armando de Ossorio, Werewolf Paul Naschy sowie dem personifizierten Mister Schundfilm Jess Franco geprägt wurde und in der Generation gegenwärtiger Filmmacher u.a. von Alex de la Iglesia (El Dia de la Bestia, Aktion Mutante) und Alejandro Amenábar (Tesis) fortgesetzt wird. Neben Jaume Balagueró war es insbesondere Amenábar, der dem iberische Spannungskino mit Öffne die Augen (Abre los ojos, 1997) und dem ebenfalls klassischem Geisterspuk verpflichteten The Others (2001) zuletzt eine Frischzellenkur verpasst hat.
Ein guter Horrorfilm erreicht sein Publikum, in dem er sich unser aller Urängste zu nutze macht, und da wir Menschen davon nun mal nur eine begrenzte Anzahl haben, werden in diesem Genre entsprechende Themen nie an Aktualität verlieren und sich bestimmte Handlungselemente fast zwangsläufig wiederholen. Die Angst vor der Dunkelheit bzw. dem, was im Dunkeln auf uns lauern könnte, gehört definitiv dazu - ein Umstand der die verhüllende Finsternis von Murnaus Nosferatu (1921) bis zu Neil Marshalls The Descent (2005) zum unverzichtbaren Nebendarsteller des Gruselkinos gemacht hat. Also an dieser Stelle kein Vorwurf, was die Originalität der Thematik angeht. Und sich bei einer derart klassischen angelegten Story von erfolgreichen Vorbildern inspirieren zu lassen, ist sicher auch 100% legitim.
Laut eigener Aussage war es Balaguerós erklärtes Anliegen, die Dunkelheit in Darkness vom heimlichen Hauptdarsteller zum zentralen Handlungselement zu stilisieren - wie vor ihm bspw. John Carpenter seinen Nebel des Grauens (The Fog, 1982). Das scheint er allerdings irgendwann im Verlauf des Drehs wieder aus den Augen verloren zu haben; denn bis auf den anfänglichen Ausspruch des kleinen Pauls, dass die Dunkelheit im neuen Haus irgendwie anders sei, ist es eben nicht das Dunkel selbst, sondern einmal mehr, das was darin wuselt, um das es wirklich geht. Und so könnte man letztlich mit der gleichen Begründung jeden zweiten Horrorfilm auf den Namen "Darkness" taufen (und tatsächlich werden die deutschen Kinos ja gerade wieder von John Fawcetts The Dark verdunkelt). Wäre die Inszenierung davon abgesehen stimmig, es wäre nicht mehr als eine Randbemerkung. Aber in diesem Fall scheint es mir fast ein Sinnbild für Balaguerós eigentliches Problem zu sein...
Denn die meines Erachtens größte Schwäche des Films liegt nicht in seinen Anleihen bei bekannten Vorbildern - im Gegenteil, das Spiel mit den konventionellen Versatzstücken des Genres beherrscht Balagueró virtuos - sondern darin, dass er versucht besonders originell zu sein. Er verabschiedet sich vom Spuk und versucht, die Geschichte vom Geisterhaus um eine zweite Storyline anzureichern, die allerdings ebenso unzureichend wie durchschaubar entwickelt wird. Halbwegs routinierte Zuschauer werden entsprechend früh eine Ahnung haben, hinter welchem Türchen der böse Buhmann lauert, und schlimmer noch, der Regisseur schafft es nicht, die beide Handlungslinien im entscheidenden Moment zusammenzuführen. Zuviel läuft einfach ins Leere.
Wie z.B. das unbestreitbar gruselige Portrait der 3 Schwestern, das Vater Mark in einem Verschlag unter der Treppe entdeckt. Hier präsentiert Balagueró dem Zuschauer gewissermaßen die optimierte Variante einer Leihgabe aus Amenábars bereits angesprochenem The Others (auch dort gab es eine solche Fotografie), setzt sie überaus wirkungsvoll in Szene, um schlussendlich den ganzen Handlungsstrang völlig unter den Tisch fallen zu lassen. Schade drum. Fast schon episodenhaft wirkt der Spuk angesichts der okkulten Mätzchen, die am Ende die Einzelteile zusammenkleistern sollen und dabei ein bisschen den Eindruck machen, als hätte man liegengebliebene Drehbuchseiten von Balaguerós Erstling The Nameless recycelt. Und wen die Logik zu sehr kneift (Hat Papa alles vergessen? Sogar wo er herkommt? Warum kann das Böse U-Bahnschächte verdunkeln, aber keine kleine Gasflamme? usw.), für den hält das Skript nur einfachste Erklärungen parat...
Hab vertrauen. Die Dunkelheit ist allwissend.
oder Das Böse lügt und will uns täuschen!
Möglicherweise liegt die Ursache hierfür im Werdegang des Drehbuchs, das im Produktionsverlauf die eine oder andere grundlegende Veränderung durchmachen musste. So heißt es beispielsweise, dass in der ursprünglichen Fassung noch eine Hexe als Vorbesitzerin des Hauses mit von der Partie gewesen ist, die dann allerdings wohl doch gestrichen wurden, um eine allzu große Nähe zur Blair Witch-Story zu vermeiden. Bestimmt nicht die einzige Änderung, die ihre Spuren hinterlassen hat.
Ein anderer Aspekt, auf den Balagueró nach eigenem Bekunden großen Wert gelegt hat, waren die psychologische Prozesse innerhalb der Familie, und hier fällt auf, dass insbesondere der Einstieg in das Beziehungsgeflecht ziemlich gelungen ist. Im Stil großer Kinoerzähler informiert uns Darkness wunderbar beiläufig über Motive und Beweggründe der Familienmitglieder. Wir erfahren von Reginas Überlegungen, in die USA zurückzukehren (tolle Szene, in der sie den Koffer kurz öffnet, um ihn dann doch unausgepackt zu lassen!). Wir spüren die Spannungen zwischen Regina und ihrer Mutter, die es offensichtlich leid ist, über diese Pläne zu diskutieren, wissen bald, dass Vater Mark den Grund für den Umzug geliefert hat, und beobachten das besonders innig-beschützende Verhältnis der großen Schwester zu ihrem zurückgezogenen kleinen Bruder. Gekonnt zeichnet Balagueró das Bild einer Familie in der Krise.
Eine eher bedenkliche Randerscheinung ist hingegen die Darstellung von Papas Huntington-Erkrankung. Tendenziell stimmt es zwar, dass Betroffene dieser genetisch-bedingten Nervenerkrankung unter emotionalen Veränderungen wie Gereiztheit sowie motorischen Auffälligkeiten leiden, aber die Gefahr, sie mit amoklaufenden Psychopathen zu verwechseln, die auch schon mal als Jack Nicholson-Imitat ihren Liebsten gegenüber handgreiflich werden, ist dann doch eher gering. Das wird die meisten Kinobesucher zwar nicht weiter stören, aber vergessen wir nicht, was Hitchcock in den 60ern mit Psycho (1960) angerichtet hat. Für einen nicht gerade kleinen Bevölkerungsteil ist Norman Bates bis heute der Prototyp des Schizophrenen, nur weil der alte Alfred aus dramaturgischen Gründen die Diagnosen etwas umetikettiert hat. In diesem Sinne: Keine Angst vor Huntington-Patienten!
Was bleibt ist der erneute Beweis, dass Regisseur Jaume Balagueró ein gutes Händchen für eine gelungene Optik hat. Auch wenn man bestimmt geteilter Meinung darüber sein kann, welcher der beiden bisher veröffentlichten Spielfilme des Spaniers nun der bessere ist, im Hinblick auf Spannung und Gruselfaktor spielt Darkness zumindest meiner Ansicht nach noch eine Liga höher als The Nameless. Wirklich schade, dass neben den inhaltlichen Parallelen auch das Schwächeln im Grande Finale zu den Gemeinsamkeiten beider Filme gehört. Aber wer weiß, vielleicht geht ja schon seinem nächsten Film nicht mehr auf der Zielgrade die Puste aus. Dem Genre ist er auf alle Fälle erhalten geblieben, und so allmählich beginnt sich sogar ein eigener Balagueró-Stil abzuzeichnen. Eine Gasmasken-Szene wie in seinen bisherigen Werken gibt es in Darkness zwar nicht, aber die aufwändige Titelgestaltung (Zitat: "ein guter Film beginnt mit den Credits" - ok, das tun die schlechten meist auch...) und der Einsatz von nostalgisch-verkratzter Schallplatten-Songs, den man schon von seinen Kurzfilmen kennt, mausert sich allmählich zur Trademark; ebenso wie die Geheimbund-Thematik und verschwundene/mysteriöse Kinder (siehe auch sein aktuelles Projekt).
Meine Empfehlung für Darkness: Am Besten man schaut ihn sich nachts alleine im Dunkeln an; denn solange keine weitere Menschen anwesend sind, mit denen man irritierte Blicke austauschen und sein Stirnrunzeln teilen kann, wird es der Spannung keinen Abbruch tun, wenn sich der Geisterspuk unterwegs ein wenig verzettelt. Davon abgesehen hat es nämlich eine Reihe von Szenen wirklich in sich!
Jaume Balagueró zählt zweifelsohne zu den hochgehandelten Talenten unter den europäischen Nachwuchs-Regisseuren. Der studierte Kommunikationswissenschaftler erlernte das Film&Foto-Handwerk vom argentinischen Filmemacher Hector Fáver, und war während seines Zweitstudiums Anfang der 90er zunächst in der Film- und Fanzine-Szene umtriebig, schrieb für verschiedene Printmedien, arbeitete für eine Radioshow und gründete schliesslich sogar ein eigenes Underground-Magazin namens "Zineshock". 1994 wechselte Balagueró wie viele Kritiker vor ihm die Seiten, um sein erstes eigenes Opus zu produzieren. Der düstere Kurzfilm Alicia (1994) in edler 35mm-s/w-Optik bewegte sich inhaltlich und visuell zwischen offensichtlichen Vorbildern wie David Lynchs Eraserhead oder Shinya Tsukamotos Tetsuo-Filmen, erntete aber auf verschiedenen Filmfestivals gute Kritiken. Ein Jahr später folgte mit Dias sin luz (1995) ein weiterer Shortfilm, für den Kritik und Publikum wiederum lobende Worte fand, die ihm 1998 schließlich den Publikumspreis auf dem Schwedischen Fantastic Film Festival einbrachte.
Nach diesen 2 Kurzfilmen (beide zu finden auf der mittlerweile günstig zu habenden Nameless-DVD aus dem Hause EMS) legte Balagueró 1999 mit The Nameless (Los in nombre, 1999), eine Adaption des gleichnamigen Bestsellers von Ramsey Campbell, sein Full Length-Debüt vor und heimste auch für seinen ersten 90-Minüter nicht nur vielerorts Fan- und Kritikerlorbeeren, sondern auch direkt einige spanische Filmpreise sowie eine Auszeichnung auf dem Brüssler Filmfest ein. Einigen riefen den damals 31-jährigen gar direkt zum Erneuerer des europäischen Terrorkinos aus. Mit diesen Erwartungen im Rücken und größerem Budget ließ sich Balagueró 3 Jahre für den hier besprochenen Nachfolger Zeit, der dieses Mal direkt für die internationale Vermarktung auf englisch gedreht wurde. Im gleichen Jahr entstand zudem eine Musik-Doku namens OT: la película (2002), für die er sich die Regie-Credits mit Francisco Plaza (Romasanta, 2004) teilt.
In seinem aktuellen Film Fragile (2005), der hierzulande noch auf seinen Kinostart wartet, schickt Balagueró Calista 'Ally McBeal' Flockhart als Krankenschwester in ein mysteriöses Kinderhospital, wobei man folglich annehmen darf, dass er seinen Lieblingsthemen treu geblieben ist: Unheimliche Orte mit unheimlicher Vergangenheit, unheimliche Kinder und eine weibliche Hauptdarstellerin in Nöten. Klingt nach einem typischen Balgueró! Man darf also angespannt sein. Derzeit arbeitet er zudem an einem weiteren Horror-Projekt. Ein Fernsehfilm namens Películas para no dormir: Para entrar a vivir, der voraussichtlich 2006 im spanischen TV zu sehen sein wird.
Produziert wurde Darkness von der in Spanien beheimateten Filmax hinter der zur Hälfte kein geringerer als Effekthorror-Spezi Brian Yuzna steckt. Und auch Miramax' Dimension Films waren von Beginn an mit im Boot. Auf das Konto von Filmax gehen neben Yuznas letzten Filmen wie Beyond Re-Animator (2003) oder Stuart Gordons Dagon (2001) auch klangvollere Epen wie Brad Anderson Der Machinist (2004). Von Yuznas Einfluss ist in Darkness aber absolut nichts zu spüren - was angesichts der Thematik und des angestrebten Erzähltempos wohl auch eher zu begrüßen ist. Die bedeutendste Neuerung, die das größere Budget und die internationalen Finanziers mit sich gebracht haben, war wohl die deutlich hochkarätigere Besetzungsliste, die bis auf den Darsteller des kleinen Paul (solide Leistung von Stephan Enquist) ausschließlich mit versierten Schauspielern aufwartet.
Pauls Schwester Regina wird von der aufstrebenden Jung-Aktrice Anna Paquin gespielt, die direkt mit ihrem Debüt in Jane Campions Das Piano (1993) einen Oscar als bester Nebendarstellerin abräumen konnte. In den folgenden Jahren beeindruckte sie in Jane Eyre (1996) und ließ neben Jeff Daniels als Amy die Wildgänse fliegen (Fly Away Home, 1996). Ersten BigBudget-Kontakt machte Paquin ein Jahr später als Königin Isabella von Spanien in Steven Spielbergs Sklavendrama Amistad (1997). Von den Kinderrollen verabschiedete sich dann zunächst mit dem Teeniefilm Eine wie keine (She's all that, 1999) als Zwischenschritt und dann endgültig mit ihrer Rolle als Energiebündel Rogue in bisher 2 und demnächst 3 Teilen der X-Men-Reihe (2000, 2003, 2006). Aber auch wenn sie wohl vor allem als Superheldennachwuchs bekannt geworden ist, finden sich noch einige andere interessante Einträge in ihrer Filmographie, die ein gutes Händchen bei der Rollenwahl belegen. So spielte sie bspw. das Groopie Polexia Aphrodisia in Cameron Crowes Almost Famous (2000) oder auch neben Edward Norton in Spike Lees tollem 25th Hour (2002). Aktuell im Kino ist sie im preisgekrönten Scheidungsdrama The Squid and the Whale (2005) zu sehen.
Mama Maria wird von Lena Olin dargestellt. Die schauspielerprobte Schwedin, die ihr Debüt mit einer kleinen Nebenrolle in Ingmar Bergmans Von Angesicht zu Angesicht (Ansikte mot ansikte, 1976) gab und in den folgenden Jahren dem skandinavischen Film verbunden blieb (Fanny und Alexander, Verwirrende Liebe) darf man ohne Frage zum illustren Kreis renommierter Charakterdarstellerin im Business zählen - auch wenn sie sich immer wieder Ausflüge ins Trivialkino erlaubt. Ende der 80er war sie neben Daniel Day-Lewis und Juliette Binoche in Philip Kaufmans Kundera-Verfilmung Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins (The Unbearable Lightness of Being, 1988) zu sehen, knapp 10 Jahre später in Sidney Lumets Nacht über Manhattan (Night Falls on Manhattan, 1997). Über Mainstream-Dramen wie Mr. Jones (1993), romantisches Kino a la Chocolat (2000) bis zu abgründigen Thrillern wie Romeo Is Bleeding (1993) oder Polanskis Okkult-Horror Die neun Pforten (The Ninth Gate, 1999) hat Frau Olin keine Facette des modernen Unterhaltungsfilms ausgelassen. Wenn auch etwas weniger erfolgreich als Paquins X-Men, hat sie sich mit den Mystery Men (1999) sogar im Superhelden-Kino versucht. Im Kino war sie zuletzt im Buddy-Movie Hollywood Cops (Hollywood Homicide, 2003) zu sehen, in dem sie das Duo Josh Hartnett/Harrison Ford um eine elegante weibliche Note erweiterte.
Als Huntington-geplagten Papa präsentiert Balagueró uns den gebürtigen Schoten Iain Glen, den die Cineasten und Euch eventuell als Hamlet aus Tom Stoppards Rosenkranz und Güldenstern (Rosencrantz & Guildenstern are dead, 1990) kennen könnten; oder für die, die es etwas größer und weniger kopflastig mögen, aus dem ersten Tomb Raider-Film (2001). Wesentlich interessanter dürften allerdings kleinere Projekte wie seine Darstellung des Psychologen Dr. Jung (der Onkel mit der Persönlichkeitslehre!) in der Spielrein-Biographie Prendimi l'anima (2002) sein, der bei uns allerdings noch nicht veröffentlicht worden ist. Dem Hang zum aufgepusteten Effektkino und Videospiel-Adaptionen frönte er zuletzt mit kleineren Rollen in Ridley Scotts Königreich der Himmel (Kingdom of Heaven, 2005) und Resident Evil: Apocalypse (2004).
Mit Giancarlo Giannini haben wir zudem einen alten Recken des europäischen Kinos mit an Bord, der in Darkness den schön durchtriebenen Großvater geben darf. Eine Aufgabe, die er auf routinierte Art und Weise erledigt. Kein Wunder, wenn man bedenkt wie lange der Mann schon im Geschäft ist. Zu seinen bekanntesten Filmen gehören Alfonso Araus Romanzendrama Dem Himmel so nah (A Walk in the Clouds, 1995), Ridely Scotts Hannibal (2001) sowie der überraschend gelungene Kakerlaken-Horror Mimic (1997) von Balagueró Hispanol-Kollegen Guillermo del Toro. In der TV-Version von Dune (2000) durfte er als Imperator Shaddam in die Fußstapfen von José Ferrer treten. Aber auch nicht zu vergessen: Mitte der 70er bekleidete Gianni eine der Hauptrollen in Das Pferd kam ohne Socken (Ettore lo fusto, 1975), dem Auweia-Beitrag zum Klamaukwestern von Italo-Routinier Enzo G. Castellari (Keoma). Gäbe es den auf DVD, ich wäre gezwungen, ihn mir allein des Namens wegen ins Regal zu stellen!
Womit wir auch schon bei der DVD-Veröffentlichung von Balaguerós Darkness wären, die man insgesamt als soliden Standard bezeichnen könnte. Das anamorph codierte Bild ist natürlich einer Produktion neueren Datums entsprechend sehr gut, so dass die zahlreichen dunklen Szenen (Nomen est omen!) mit ausreichend Schärfe und Kontrast ausgestattet sind. Dies war in The Nameless leider weit weniger der Fall. Auch die Möglichkeiten des 5.1-Surround-Sounds werden absolut effektiv (wenn auch nicht übermäßig) eingesetzt - wobei man die Wirkung von Wispern und ähnlichen Spannungsgeräuschen aus den Rear-Speakern bei einem Gruselfilm niemals unterschätzen sollte! Neben der deutschen Synchro steht auch die englische Originalversion mit optionalen Untertiteln zur Verfügung. Damit schneidet die DVD, was die Grundausstattung angeht, mit einer glatten Eins ab. Aber auf die Pflicht folgt eben immer die Kür, und hier kann der Splendid-Silberling nur mager punkten.
"Trailer", "Interviews mit Regisseur und Hauptdarstellern" und "Behind the Scenes"-Featurette klingt erst einmal für eine normale Kauf-DVD nach einem ordentlichen Package. Nur leider revidiert sich dieser Eindruck nach Sichtung des Bonusmaterials recht schnell. Den Kinotrailer sucht man z.B. entgegen der Angabe auf dem Cover vergebens. Das "Making Of" entpuppt sich als etwas, das man am ehesten als musikunterlegte Impressionen vom Set bezeichnen könnte. Kein Kommentar, keine Erläuterungen - eben nur Aufnahmen von den Dreharbeiten, deren Informationswert sich in entsprechenden Grenzen hält. Somit bleiben dem interessierten Zuschauer lediglich die 6 kurzen Interviews mit Regisseur Balagueró und den fünf Hauptdarstellern, um weiteren Wissensdurst zu befriedigen. Und ich finde, zumal keine alternative Special Editon angeboten wird, dürfte es da schon ein wenig mehr sein, als ein paar Werbetrailer (u.a. für den thematisch ähnlich gelagerten US-Horror Fear of the Dark) weiterer Splendid-Veröffentlichung...
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