Film Daten

Titel:
The Grudge - Der Fluch
Originaltitel:
The Grudge
Land & Jahr:
USA / Japan / Deutschland 2004
Regie:
Takashi Shimizu
Darsteller:
Sarah Michelle Gellar
Jason Behr
William Mapother
Clea DuVall
KaDee Strickland
Grace Zabriskie
Weitere Infos:
IMDB  OFDB

The Grudge - Der Fluch

(Ein Kurzreview von Carsten Henkelmann)

Karen Davis (Sarah Michelle Gellar) soll für eine nicht zur Arbeit erschienende Kollegin die Pflege einer älteren Frau übernehmen. Außer der alten Dame ist niemand in dem Haus, aber dann finde sie einen kleinen Jungen eingesperrt in einem Schrank. Dies ist aber nur der Anfang einer Reihe von unheimlichen Ereignissen, die alle irgendwie mit dem Haus zu tun zu haben...

Ich traue es mich kaum zu sagen, aber die amerikanisierte Version von "Ju-On: The Grudge" ist so fast das einzige Remake, das mir ausnahmsweise mal leicht besser gefallen hat als das Original. Einiger Ballast wurde über Bord geworfen und die Personenkonstellationen etwas vereinfacht. Zudem bietet das Remake eine etwas nachvollziehbarere Auflösung der Geschehnisse in dem Haus.

Jetzt kommt aber das große ABER: bis zur Hälfte des Films fragt man sich, warum das Remake überhaupt produziert wurde. Denn im Gegensatz zum "The Ring" Remake, wo die Handlung komplett in die USA verlegt wurde, spielt "The Grudge" immer noch in Japan. Lediglich einige Charaktere werden jetzt von amerikanischen Schauspielern verkörpert, ansonsten handelt es sich zum größten Teil um eine fast exakte 1:1 Kopie des Originals. Nur mit Beginn der zweiten Hälfte werden die Variationen bei den Charakteren und in der Handlung erkennbar. Und wer das Original bereits gesehen hat, der wird schon alle Schockmomente kennen, denn großartige Überraschungen werden in der Hinsicht nicht mehr geboten.

Somit ist das "The Grudge" Remake für diejenigen empfehlenswert, die das Original nicht kennen und sich einmal so richtig schön gruseln wollen, denn effektiv sind die Schockszenen - wenn man sie noch nicht kennt - trotz allem und das Remake ist auch nicht ganz so konfus wie das Original.

Autor: Carsten Henkelmann
Film online seit: 25.09.2005

Leser-Kommentare

16.05.2007, 18:04:26 Dietmar Kesten

DER FLUCH

GÖTTERDÄMMERUNG

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 4. MÄRZ 2005.

Das Problem des Horrors liegt in der Geschichte selbst. Ja, das ist es, worauf das Kino seit Jahrzehnten immer drastischer und immer zielloser hinauswill. Sex und Gewalt, Horror und Ekstase, Schaulust und Überwältigung. Das Leben ist im Horror ein verdichteter Schock, der sich wie eine schwere Last auf die ohnehin schon gemarterte Seele legt. Die Augen der Kunden leuchten im Kino, während die Apokalypse ungehindert die Bahnen zieht. Wer noch nicht begriffen hat, dass diese Clips unter die Haut eines Menschen schlüpfen, der hat nicht begriffen, dass hier das Ende zelebriert wird, mit einer solchen Inbrunst, dass der Ausdruck des Schreckens zum kalten Weiß der Hölle wird. Die Übersättigung wirkt als Reise ins Jenseits. Zwischen Falltüren und Schienen gelangt man ins Labyrinth. Hier (unten) gibt es keine Sprache, keinen Handgriff. Jede Geste entscheidet über Leben und Tod. Man verstummt, überlebt, oder ist dem Tod geweiht. Das Schweigen des Horrors ist sein Handeln. Das macht die Filme so irreal. Und weil man sich im Kino als Gejagter vorkommt, ist der Überbau dieser Filme so eingerichtet, dass man noch weit nach dem Kinogang dem Erbrechen näher ist, als der Sprachlosigkeit. Hier belauern sich Jäger und Gejagte gleichermaßen: sie bewachen einander, stumm und verbissen. Und treiben uns in die unerträgliche Enge. Der Horror ist ein unterirdisches Ausbildungslager, die den Riesenkäfig Kino abtasten, um mit bunten Graffitis Medium und Hypnotiseur zu sein.

Nun gibt es wieder eine von unzähligen Horrorgeschichten, die so wahr erscheinen, wie das Leben selbst, und doch nichts anderes sind, als in den Abgrund zu leuchten, wo sie ihren Ausgangspunkt nehmen. Auf einem Haus liegt durch den gewaltsamen Tod einer Familie ein Fluch. Alle Eindringlinge werden mit der Paranoia und dem Tod bestraft. Die Austauschschülerin Karen (Sarah Michelle GELLAR) ist Studentin in Tokio und arbeitet nebenher als Pflegerin im sozialen Dienst. Als eine Kollegin nicht zur Arbeit erscheint, erklärt sie sich dazu bereit, für sie einzuspringen und deren Patientin zu übernehmen. Sie macht sich auf zu einem Haus, das rein äußerlich völlig normal erscheint. Sie findet dort eine alte Frau verwahrlost und in Trance vor. Ein Junge kauert verstört in einem Wandschrank. Dann kehrt das Unausweichliche ein: sie hört Geräusche, die vom Dachboden zu kommen scheinen und erlebt nun den Horror „ihres Lebens“. In einem Zeitraffer (Rückblenden) erfährt der Zuschauer, dass „übernatürliche Kräfte“ am Werk sind, ihr Unwesen treiben, und dass schon viele Menschen durch diesen Fluch“ ausgelöscht wurden. Es scheint so, dass dieses „Geschehen“ durch schreckliche Ereignisse bereits vor Jahren in diesem Haus geschaffen wurde. Und nun frisst sich „Der Fluch“ wie ein Virus von Mensch zu Mensch, befällt alle, die das Haus betreten. Und alle müssen qualvoll sterben. Wie immer gibt es kein Entrinnen. Und die Protagonistin versucht nun quasi auf eigene Faust diesem Horror auf die Spur zu kommen.

Regisseur Takashi SHIMIZU („Tomie Re-Birth“, 2001, „Ju-on: The Grudge“, 2003) nimmt sich wieder einmal einem Horror-Haus an, einem Spukhaus, das ein gewisses Eigenleben entwickelt, und das als Schreckensort funktioniert. Es gibt merkwürdige Geräusche, merkwürdige und eklige Gesichter, merkwürdige Abläufe. Wenn man im Kino nichts mehr zu erzählen hat, dann erzählt man das Nichts. Das ist merkwürdig genug. Und Horror in Vollendung. Die Lust wird Angst, der Schock zum Gegenschock. Wenn es in Immobilien zu spuken beginnt, dann treffen Serienmörder und lebloses Zelluloid aufeinander: die Geschichten werden zu schaurigen Clips, und die Versuche, die Lücken dazwischen zu füllen, werden zu Randgeschichten. Der ökonomische Umgang mit dem Schock lässt uns zu bloßen Marionetten erstarren, die mit dem Zuschauer spielen. Die Schockeffekte funktionieren wie jede neuentdeckte Leiche als Heimtücke, wie eine Vorhölle, eine graue Wildnis aus überfüllten Straßen, auf die ein ewiger Regen niedergeht. Hatten schon „The Ring“ (Regie: Gore VERBINSKI; 2002) oder „Dark Water“ (Regie: Hideo NAKATA, 2002) mit finsteren Augenblicken die verrotteten Wohnhöhlen dieser neuzeitlichen Zombies gezeigt, so ist „Der Fluch“ der Schritt eines bewusstlosen Kinos in die Dämmerung des „Jüngsten Tages“. Kein Triumph des Surrealismus über die Realität, und kein optisches Juwel, das ohne jede Bluttat auskommt.

Diese Filme sind abgegriffen. Nicht deswegen, weil die serial killer movies nicht nur die Fortsetzung der Kinderfilme mit anderen Mitteln sind, sondern weil die Spielzeuge größer, die Spiele böser und blutiger geworden sind. Wenn die Balken knirschen und Kinder das Unheil ankündigen, dann verlöscht im Kino langsam das Leben. Wir haben uns daran gewöhnt, die Fratzen des Todes auf der Leinwand zu sehen. Es sind die Bilder, die Tag für Tag die Nacht zum Horror werden lassen. Es sind die Bilder, die das Kino vom Horror der Gesellschaft abgekupfert hat. Jene Bilder, durch die das immergleiche rechteckige Maul in unsere Räume fluten. Und wir behandeln sie so, als ob sie schon immer da gewesen wären. Wir vergessen, dass es sie irgendwann einmal nicht gegeben hat.

Dass es eine Zeit vor dieser Kino-Zeit gegeben hat. Diese Bilder setzen sich in der Erinnerung fest. Sie saugen die Zeit auf und verwandeln alles in die Clip-Zeit. Diese Bilder sind älter als wir. Und die Vervielfachung des Visuellen bringt nicht nur neue Formen der Produktion hervor, sondern sie züchtet auch ganz neue Lebensläufe. Die Jungen übergeben den Alten die Bilder und die Töne, die haften bleiben- Erfahrungen aus einer erfahrungslosen Welt. Erst erscheinen die blutverschmierten Körper auf der Leinwand, dann die Leichen. Alles wird wie selbstverständlich konsumiert.

Die Wahrheit ist: Bilder verändern den Menschen. Ein Vierzigjähriger hat andere Filme gesehen als ein Dreißigjähriger. Das ist die Wahrheit. Selbst wenn sie niemand mehr hören möchte. Ein Kind hat ein anderes Kino im Kopf, ein Fernsehkino. So entstehen die Altersunterschiede. Zwischen Schock und Schock wird sich jedoch niemand erholen können. So schickt „Der Fluch“ den mündigen Menschen in die Unmündigkeit. In die emotionale Vereisung, in die stumpfe Ruhe, in die Kälte der modernen Städte und den Finsternissen. Wir erleben eine ordinäre Reise in die Abstumpfung, in die Langeweile. Je länger der Film dauert, desto schwerer wird es, das Blut von den Opfern zu trennen.

Die „Vergletscherung der Gefühle“ (HANEKE) ist in diesem Jahrhundert eine Reise in die Schrecken des Eises und der Finsternis geworden. Der ökonomische Terror entspricht spiegelbildlich dem Terror auf der Leinwand. Ein Kino der Verzweifelung kann kein Kino der Wahrhaftigkeit sein. Ohne Würde und Wahrhaftigkeit kann kein Mensch leben. Wenn das Kino mit seinen merkwürdigen Genres diese hohen moralischen Ansprüche zerstören will, dann ist es besser, diesen toten Bildern den Rücken zu kehren, als sich auf ewig Tod und Unglück auszusetzen. Werfen wir sie auf den Grund des Ozeans. Es ist so still dort unten.

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