Film Daten

Titel:
Die Fliege
Originaltitel:
The Fly
Land & Jahr:
USA 1985/86
Laufzeit ca.: ?
92 Min.
Regie:
David Cronenberg
Darsteller:
Jeff Goldblum
Geena Davis
John Getz
Joy Boushel
Leslie Carlson
George Chuvalo
Michael Copeman
David Cronenberg
Carol Lazare
Shawn Hewitt
Weitere Infos:
IMDB  OFDB

Die Fliege

(Ein Kurzreview von Carsten Henkelmann)

Der Wissenschaftler Seth Brundle arbeitet an einem Projekt, einer Art Transmitter. Dadurch wird es ermöglicht Gegenstände an einem Ort zu entmaterialisieren und an einem anderen Ort wieder zusammenzusetzen (Star Trek läßt grüßen). Die Fortschritte seiner Arbeit darf eine befreundete Reporterin, die bald seine Geliebte wird, aufzeichnen. Die letzte Hürde, die er zu überwinden hat ist das transportieren von lebender Materie. Der erst Versuch mit einem Affen endet mit Fleischsalat. Nach einigen Verbesserungen gelingt schließlich auch das. Jetzt fehlt nur noch der Transport eines Menschen.

Eines Abends säuft Brundle ein bißchen zuviel und setzt sich selber in seine Transportkabine. Unbemerkt von ihm fliegt eine Fliege mit hinein und während des Transports vermischen sich Brundles Gene und die der Fliege. Er selber bemerkt aber keine Veränderungen. Erst Tage später findet seine Freundin bei ihm ungewohnte dicke und stabile Haare an seinem Rücken. Sie schneidet eins ab und schickt es an ein Institut. Seth selber fühlt sich mittlerweile körperlich extrem fit, was er eindrucksvoll an einer Turnsequenz in seiner Wohnung demonstriert. Seiner Freundin wird das langsam unheimlich und versucht ihn davon zu überzeugen, das etwas nicht stimmt. Er fühlt sich mißverstanden und will mit ihr nichts mehr zu tun haben. Schließlich treffen die Untersuchungsergebnisse des Instituts ein, in denen steht, das die Haare von einem Insekt stammen würden. Aber da ist es schon zu spät...

Brilliantes Remake des Klassikers von 1958. Durch die exzellenten Special-FX wird aber im Gegensatz zum Original mehr der Horrorgehalt der Geschichte in den Vordergrund gesetzt. In der deutschen Fassung ist davon aber einiges gekürzt. Zum Beispiel fehlt die komplette Alptraumszene, die Brundles Freundin hat, nachdem sie erfahren hat, das sie von ihm schwanger geworden ist. Hier hat Regisseur Cronenberg dann auch einen Kurzauftritt als Gynäkologe.

Autor: Carsten Henkelmann
Film online seit: 21.01.1999

Leser-Kommentare

04.12.2005, 00:47:42 Peter Quint

Von Cronenberg zu Kafka...? Interessanter Gedanke, aber da fallen mir doch eher "Videodrome" oder "eXistenZ" ein, vom Eindringen einer anonymen Macht in den gewohnten Alltag ist bei der "Fliege" nun wirklich nichts zu spüren. Etwas mehr Anonymität hätte der "Fliege" vielleicht sogar ganz gut getan, denn ein richtig guter Horrorfilm lebt doch immer von der Stephen King'schen Frage: "Was ist hinter der Tür?" Mit special effects zugebombt zu werden, bis das Anschauen eine Zumutung darstellt, läßt keinen Raum mehr für eigene Entdeckungen, und nach solchen Filmen, so gut gemacht sie auch sein mögen, komme ich immer merkwürdig unbefriedigt aus dem Kino.

08.06.2005, 17:05:11 Dietmar Kesten ( Email schreiben )

DIE FLIEGE

DIE VERWANDLUNG

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 8. JUNI 2005.

Seth Brundle (Jeff GOLDBLUM) ist Systemverarbeitungsexperte.
Er kennt sich aus mit Analysen und Dekompositionen.
Alles zu zerteilen und es anschließend wieder zusammenzufügen,
Gegenstände durch computergesteuerte Programme
auflösen, um sie dann zu transportieren, das sind seine
Erfindungen, mit der er seine Freundin Veronica
(Geena DAVIS) zu beeindrucken weiß.
In einem Obergeschoss eines Fabrikgebäudes
betreibt er sein Techno-Labor, das sich durch seltsame
Objekte auszeichnet. In der Mitte des Raumes befindet sich
eine Computerkonsole.
Hier beginnt der eigentliche Film: ?The Fly? von
David CRONENBERG.

Eines Tages überredet Seth Veronica dazu, ihm einen
Strumpf zu geben. Er legt ihn in einen Transformator, bedient die
Computerkonsole und urplötzlich liegt der Strumpf in einem
Transporter, einem sogenannten Empfänger.
Ein Versuch mit einem Pavian scheitert.
Nun macht Seth sich selbst zum Versuchsobjekt. Er setzt
sich in einem Tele-Porter und hofft darauf, dass dieses
Experiment von Erfolg gekrönt ist.
Doch der Raum war nicht clean. Eine Fliege hatte sich
dorthin verirrt.
Seht verwandelt sich, bevor die eigentliche Verwandlung
eintritt: er ist sportlicher und athletischer als je zuvor,
potenter, hat ungeahnte Kräfte.
Er ist ein Tier, ohne dass man es ihm ansieht.

Die Molekularstrukturen der Fliege verändern ihn nachhaltig:
ihm wachsen Haare auf dem Rücken, Organe fallen ab,
seine Hände verkümmern. Bis er immer ekliger wird.
Sein innerstes kehrt sich nach außen, Körperflüssigkeiten
scheiden wie von selbst aus. In der Tat, so seine eigene
Analyse, hat er sich mit der Fliege verschmolzen.
Veronica muss mit Bestürzung erfahren, dass Seth nicht nur
abscheulich geworden ist, sondern auch durch und durch
ein monströses Insekt geworden ist, das jedem anderen
Wesen, dass in seine Nähe kommt, nach dem Leben
trachtet.
Zum Ende des Films bittet Veronica ihren Ex-Freund um
Beistand. Im Showdown fleht der ?Insekten-Mensch? um
den Gnadenschuss, damit seinem Leiden ein Ende bereitet
wird.

?Die Fliege? von CRONENBERG ist bereits 1985 in Szene
gesetzt worden. Und ist ein Remake der ?Fliege?
von 1958 (Regie: Kurt NEUMANN). Im Unterschied zur damaligen
Produktion fällt hier auf, dass Seth scheinbar ganz ?normal?
aus dem Tele-Porter herauskommt: ohne Flügel und ohne
Teleskopaugen.
Aber die Verwandlung ist bestürzend, sie ist ihm nahezu auf den
Leib geschrieben. Und hier, wie dort zeigt sich, dass Verwandlungen
immer ein Prozess sind, wenn man so will, des Leidens.
Bei CRONENBERG ist dieses Leiden auf die Spitze getrieben.
Es ist bestürzend, gravierend, total, fatal, bedrohlich,
abscheulich und faszinierend.
Er wandelt ständig auf diesem schmalen Grat der
Unbarmherzigkeit, mit der er das Publikum schockiert.

Indes ist die Verwandlung eines (Tier-)Menschen nicht eine
einfache Verwandlung, sondern sie ruft in Erinnerung, dass man
sich ständig verwandelt, wobei die Richtung, oder die
Tendenz immer anders sein kann.
CRONENBERG wäre nicht CRONENBERG, wenn man
ihm hier nur eine plakative und kontemplative Philosophie
unterstellen wollte, mit der er sein Filmwerk zu untermauern
gedenkt.
Nein, er hat zumindest ?Die Verwandlung? von
Franz KAFKA gut verstanden. Gregor Samsa erwacht dort
eines Morgens aus seinen unruhigen Träumen, und stellt fest,
dass er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren
Ungeziefer verwandelt hatte.
Zwar zeigte KAFKA keine Verwandlung, und seine Resultate
sind nicht darstellbar, und erst recht war Samsa kein
Vorgänger von Seth Brundle.
Doch KAFKAs Hinweise haben etwas: sie rufen in Erinnerung,
dass viele Geschichten von Verwandlungen ungeklärt bleiben
müssen, und erst recht die Gesichter, mit denen wir es
zu tun haben.

Wäre der Film nur einfache Sciencefiction, bei der ?Beamen?
von A nach B nur eine Versuchsanordnung wäre, dann wäre
die Spirale der ?Fliege? nicht mehr als ein absurder
Verschiebebahnhof und wenig überraschend.
Verwandlungen beginnen im Kopf und haben meist
Signalcharakter und können zerstörend wirken, böse
Folgen haben, wie jeder Flächenbrand zeigt.
Eine Verwandlung zieht in de Regel unangenehme
Begleiterscheinungen nach sich, die in letzter Konsequenz
das Subjekt verändern, und zwar wie CRONENBERG
zeigt, nicht zum Vorteil, sondern zum Nachteil.

Man hätte sich gewünscht, dass er die psychischen
Strukturen dieser (Ver-)Änderung stärker betont und
filmisch aufarbeitet, ja dass er die Irrfahrten und die
Kehrtwenden bei einer solchen Verwandlung beschreibt,
doch er zieht es vor, nur das objektive Erscheinungsbild
zu beschreiben.
Das ist jedoch phänomenal (Spannungsdramatik,
perfekte Technik und maskenbildnerische Fähigkeiten),
weil er sich unbemerkt, sozusagen durch die Hintertür
einschleicht, in die Ahnungslosigkeit vordringt.
Weil er die reine naturalistische Ebene verlässt, und in
die Dimension des faktisch-realen vorstößt, gar
eintaucht, kann er mit Rückgrat und Verstand die
Schrecken des Kopfes bestens abbilden.

Selbst wenn man diese Auffassung nicht teilen sollte,
bliebe die offene Frage, was man mit einer
Technik-Moral anfangen sollte, die bei ihm im wahrsten
Sinne des Wortes verreckt?
CRONENBERG führt den Deus ex Machina ad absurdum;
denn das Baby, das Veronica von Seth erwartet,
dürfte keine Teufelsgeburt sein, sondern eben ein Teil
dieser Verwandlung; denn sie findet immer statt.
Der Ausgangspunkt des Films ist damit markiert.
Jede Verwandlung birgt in sich die Negation derselben.
Selbst wenn das einem unangenehm erscheint, so ist
doch dieser paradoxe Prozess das eigentliche
Bemerkenswerte an diesem Film.

Fazit:

Cronenberg macht kein Geheimnis aus den
Absurditäten, mit denen wir umgeben sind, denen
wir unterliegen.
Und so geht es weiter und weiter. Bis die
Verwandelbarkeit am äußersten Punkt angelangt ist.
Ob diese dann völlig inakzeptabel ist: wer mag das
schon entscheiden wollen?

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