Film Daten

Titel:
Mondo Cane
Originaltitel:
Mondo Cane
Land & Jahr:
Italien 1962
NTSC-Laufzeit:
107:29
Regie:
Paolo Cavara
Gualtiero Jacopetti
Franco E. Prosperi
Darsteller:
Alternativtitel:
• A Dog's Life
• Mondo Cane No. 1
Weitere Infos:
IMDB  OFDB

DVD Daten

DVD Cover - Blue Underground
Label:
Blue Underground
Regionalcode / Norm:
1 / NTSC
Bild / Zeit:
1.33:1 / 107:29
Sprachen/Ton:
Englisch - DD 1.0
Italienisch - DD 1.0
Untertitel:
Englisch
Extras:
  • Englischer, Italienischer und US Trailer
  • TV Spot
  • Poster & Still Gallery
  • Location Stills
  • Lobby Promo
  • The Unofficial Mondo Phenomenon (Textessay)

Mondo Cane

(Ein Review von Carsten Henkelmann)

Mit Mondo Cane wurde ein ganz neues Genre geboren: das der "Shockumentary" oder auch "Mondo"-Filme. Mondo Cane zeigt nur sehr lose zusammenhängende Aufnahmen aus aller Herren Länder, die für den durchschnittlichen westlichen Zuschauer entweder faszinierend, abstoßend, ekelerregend oder auch amüsant wirken - zumindestens zur damaligen Zeit. Da wären die unzähligen Gewalttaten gegen Tiere, vornehmlich im asiatischen Bereich. Eine Kundin sucht sich bei einem chinesischen Händler eine Schlange aus, die vor ihren Augen für die spätere Zubereitung gehäutet wird. An anderer Stelle suchen sich die Kunden in einem Restaurant aus mehreren, in engen Käfigen gefangengehaltenen Hunden einen aus, der ihnen dann später zum Mahl serviert wird. Oder das Eingeborenenvolk in Neu Guinea, die für eine großes Stammesfeier mehrere Schweine töten, indem sie mit dicken Holzkeulen solange auf den Kopf schlagen bis die Tiere tot sind. Das Fleisch wird dann in kleine Stücke zerteilt und dem hungrigen Volk von einem Turm aus zugeworfen.

Mondo Cane - ScreenshotMondo Cane - Screenshot

Aber nicht nur Tiere liegen im Zentrum dieser Aufnahmen. Der Zuschauer wird auch Zeuge der Stiertreibjagden in Sevilla, wo einzelne Männer schon mal fürchterlich aufs Horn genommen werden. In Singapur werden die Alten und Kranken in speziellen Häusern untergebracht, während die restliche Familie darauf wartet das ihre Verwandten sterben. Auf der Hamburger Reeperbahn ("Repabahm Strasse" heißt es in den Untertiteln) nimmt die Kamera den alkoholischen Exzess in den Kneipen auf und zeigt die Auswirkungen am nächsten Morgen, wenn die zugedröhnten Alkoholiker kaum des Laufens mächtig sind. Eine religiöse Sekte in Italien macht eine Aufgabe für die ganze Familie daraus, die Knochen der Vorfahren zu Putzen und vom Staub der Jahre zu befreien. Aufnahmen der harmloseren Art ist die schon fast theaterhaft wirkende Demonstration australischer Rettungsschwimmer oder die touristische Ausbeutung einheimischer Traditionen auf Hawaii, wo den nach Geld stinkenden Touristen der Hula-Tanz beigebracht wird.

Mondo Cane (ausgesprochen: "mondo kahneh" und nicht "mondo keyn") diente nur einem Zweck: zu schockieren und dabei aber auch zu unterhalten. Und beides gelingt dem Film irgendwie, auch wenn er nicht mehr ganz so zu schocken vermag wie vielleicht noch vor 40 Jahren. Genug schwer im Magen liegende Szenen gibt es trotzdem immer noch, auch wenn man mittlerweile schon durch das normale Fernsehprogramm, das nach immer neuen Thrills sucht, einiges gewöhnt ist. Klar, manche Szenen, gerade die Gewalttaten gegen Tiere, sind immer noch schwer zu ertragen. Dagegen wiegen dann die schon fast obskur-amüsant anmutenden Szenen, die Menschen in nahezu grotesken Situationen zeigen. Seien es religiöse Fanatiker, die sich mit Glasscherben bespickte Klumpen an die Arme und Beine schlagen um so den Leidensweg Christi darzustellen oder spanische Stierkämpfer, die sich in einer Reihe aufstellen und sich freiwillig von einem Stier umrennen lassen. Hier wird der Mensch als ein unzurechungsfähiges Wesen dargestellt, das zu völlig irrationalen und jeder Logik entbehrenden Taten fähig ist.

Mondo Cane - ScreenshotMondo Cane - Screenshot

Mit dem Begriff "Mondo"-Film, "Mondo" ist übrigens das italienische Wort für die "Welt", bin ich zum ersten Mal, wie vielleicht die meisten, mit den unsäglichen Faces of Death (Gesichter des Todes) Filmen in Berührung gekommen, die sinnentleert und auf einer völlig billigen Schiene reale wie gestellte Unfälle und brutale Szenen aneinanderreihen und das unter dem Deckmantel einer Dokumentation verkaufen. Diese Filme wären zwar ohne Mondo Cane nie entstanden, haben aber mit dem nicht mehr viel gemeinsam. Mondo Cane ist eine kleine Überraschung, was Schnittechnik und die Untermalung der Bilder durch Musik angeht. Gualtiero Jacopetti, der neben Paolo Cavara und Franco E. Prosperi Regie führte und auch produzierte, zeigt sich auch für den Schnitt des Films verantwortlich. Ihm gelang es, einige Kontrastpunkte zwischen zwei Beiträgen zu setzen, die die dargestellten Szenen noch eine zusätzliche Wirkung verpassten. So gelang ihm z.B. ein thematischer und höchst sarkastischer Schnitt von einem Tierfriedhof in Los Angeles, wo die besser Betuchten um ihre kleinen Haustiere trauern und in richtigen Särgen vergraben, zu dem Restaurant in China, in dem Hunde zum Mahl serviert werden. Was auf der einen Seite der Erde ein verehrungswürdiges Objekt, eine Art Lebenspartner, darstellt, ist auf der anderen Seite lediglich Nahrung für die allgemeine Bevölkerung.

Und damit dürfte in meinen Augen auch ungefähr die eigentliche Absicht hinter den Mondo-Filmen von Jacopetti und Prosperi liegen (Paolo Cavara war nur bei zwei Filmen dabei). Ihre Werke sind ein sarkastischer, zynischer und manchmal auch irgendwie menschenverachtender Blick auf das Wesen Mensch, seinen Eigenarten, Unzurechnungsfertigkeiten und seiner Gewohnheit entweder sich selber oder anderen Schaden zuzufügen. Seien es Tiere oder andere Mitmenschen. Dazu kommt noch die Übermacht und technische Überlegenheit, das scheinbar zivilisierte Handeln des weißen Mannes im Gegensatz zu den augenscheinlich doch so primitiven schwarzen Eingeborenenvölkern. Wenn man aber die Alkoholer am frühen Hamburger Morgen sieht, fragt man sich schon wer eigentlich der Primitivling ist... Jacopetti und Prosperi profitierten allerdings auch sehr stark von der damals viel größeren Unkenntnis außereuropäischer Sitten und Gewohnheiten. In der Dokumentation "The Godfathers of Mondo" geben sie auch zu, dass sie diesen Film heutzutage in der Form nie verwirklichen könnten.

Mondo Cane - ScreenshotMondo Cane - Screenshot

Gualtiero Jacopetti begann seine berufliche Karriere zunächst als normaler Journalist, wechselte aber dann irgendwann zum dokumentarischen Film, da er dort seine Worte in Bildern festmachen konnte. Über einen gemeinsamen bekannten Produzenten lernte er dann Franco Prosperi kennen, was das Fundament für eine jahrelange Arbeit legen sollte. Nachdem Jacopetti mit den dokumentatorischen Aufnahmen über das Nachtleben in europäischen Clubs namens World by Night vollendet hatte, planten er und Prosperi eine Art "Anti-Dokumentation". Aus dieser Idee entstand Mondo Cane. Über einen langen Zeitraum hinweg sammelten sie sehr viel Material aus vielen verschiedenen Ländern, bis sie schließlich mit Mondo Cane ihr erstes gemeinsames Werk vorlegten, das zu einem vieldiskutierten Film avancierte, der aber trotzdem sehr erfolgreich in den Kinos lief, selbst in den USA. Das markante Titelstück "More" von Riz Ortolani, der unter anderem auch für den wunderbaren Soundtrack von Cannibal Holocaust komponiert hat, wurde damals sogar für den Oscar nominiert.

Da es sich um ein über 40 Jahre altes Werk handelt, habe ich in Bezug auf die Bildqualität nicht sehr viel erwartet. Aber wieder mal hat es Blue Underground geschafft eine beeindruckende Leistung im Bereich des DVD-Transfers hinzulegen. Es muss ein ziemlich gutes Master vorhanden gewesen sein, denn das Bild weist eine nur sehr geringe Körnung auf und Schäden irgendwelcher Art sind meistens nur für Sekundenbruchteile zu sehen. Ab und zu kann man mal ein paar vertikale Linien ausmachen, die fallen aber kaum auf. Farbe, Kontrast und Schärfe zu bewerten fällt bei allen Mondo-Filmen etwas schwer, da die einzelnen Szenen unter verschiedenen Drehbedingungen aufgenommen wurden. Die beiden Mono-Tonspuren in Englisch und Italienisch sind okay. Auf Dialogverständlichkeit muss eh nicht geachtet werden, da alles mit einem VoiceOver kommentiert wird. Auch sind mir keine Störgeräusche aufgefallen. Zum italienischen Originalton gibt es noch gut lesbare englische Untertitel. Insgesamt denke ich aber, dass Blue Underground das beste aus dem Material herausgeholt hat und das man den Film und seine Nachfolger wohl für die Zukunft erstmal nicht in einer besseren Fassung zu sehen bekommt.

Mondo Cane - ScreenshotMondo Cane - Screenshot

Das Bonusmaterial bei Mondo Cane beinhaltet zunächst den üblichen Umfang an Trailern, einem TV-Spot, einer umfangreichen Fotogalerie bestehend aus Postern, Zeitungsanzeigen, Lobbycards, dem italienischen Programmheft, dem japanischen Presseheft, Publicity Stills, Videocover und einigen anderen Motiven. Darauf folgt eine weitere Galerie von Location Stills - Landschaftsaufnahmen - die Kameramann Benito Frattari geschossen hat. Das letzte kleinere Extra ist eine Lobby Promo, die wie eine Art Radiospot klingt, aber wohl eher in den Foyers der Kinos abgespielt wurde. Abschließend gibt es noch das Textessay "The Unofficial Mondo Phenomenon" von David Flint, der darin auf Mondo Cane und die darauffolgende Welle von weiteren Filme eingeht. Zwar werden die Filme nur kurz vorgestellt, allerdings vernachlässigt er keinen der "wichtigeren" Werke wie Faces of Death, Savage Man, Savage Beast, Shocking Asia / Africa oder The Killing of America.

Mondo Cane ist zur Zeit nur in der Mondo Cane Collection Box von Blue Underground erhältlich, die zudem auf 10.000 Stück weltweit limitiert ist. In dieser Box befinden sich neben Mondo Cane noch weitere 7 DVDs: Women of the World, Mondo Cane 2, Africa Addio (internationale englische Version), Africa Addio (italienischer Director's Cut), Goodbye Uncle Tom (internationale englische Version), Addio Zio Tom (italienischer Director's Cut) und die ganz neu produzierte, 90-minütige Dokumentation The Godfathers of Mondo. Ob die Filme auch noch mal alle einzeln veröffentlicht werden ist bislang unklar. Offiziell angekündigt wurde in der Richtung jedenfalls noch nichts. Selbst wenn dies irgendwann der Fall sein sollte, wird The Godfathers of Mondo als einzelne DVD wahrscheinlich nicht erhältlich sein. In The Godfathers of Mondo kommen nicht nur Prosperi und Jacopetti zu sprechen, sondern auch Riz Ortolani, Kameramann Benito Frattari, Giampaolo Lomi, der Production Manager von Goodbye Uncle Tom, sowie auch einige Filmhistoriker. Es wird auf jeden Film eingegangen den die beiden zusammen gemacht haben und insgesamt muss ich behaupten, dass dies eine der besten Dokumentationen über Filme und ihre Macher aus dem Bereich des Exploitationkinos darstellt, die ich je gesehen habe! Man wird mit einer Fülle von Informationen versorgt, woran sich einige Making-Ofs und Dokus von Majorfirmen mal gehörig eine Scheibe von abschneiden sollten. Der Schwerpunkt liegt zwar bei den umstrittensten Werken Mondo Cane und Africa Addio, aber alle anderen Filme werden ebenfalls ausführlich behandelt. Eine ganz klare Empfehlung meinerseits, denn so bekommt man auch ein richtiges Bild von den Leuten hinter der Kamera. Schließlich mussten sich Jacopetti und Prosperi bei Africa Addio und Goodbye Uncle Tom als Rassisten beschimpfen lassen, worauf die Dokumentation auch eingeht. Außerdem ist es noch sehr interessant zu erfahren, dass das Stück "More" von Riz Ortolani durch eine sehr spontane Improvisation entstand, wodurch der Skandal um die angeblich extra für die Kamera durchgeführten Exekutionen bei Africa Addio entstanden ist, das sie sogar wegen ihrer Filme Einreiseverbote in bestimmte Länder bekamen und wie es, wenn auch nur ganz grob, zu der Trennung nach Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit kam. Wer sich für die Filme oder auch Exploitation-Filme im Allgemeinen interessiert, sollte diese Dokumentation gesehen haben!

Mondo Cane - ScreenshotMondo Cane - Screenshot
Autor: Carsten Henkelmann
Film online seit: 01.12.2003
Letzte Textänderung: 23.01.2004

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