(Ein Review von Carsten Henkelmann)
1977: Nach einem biologischen Krieg ist Robert Neville (Charlton Heston) der einzige Überlebende, der keiner Mutation unterlegen ist. Fast die gesamte Menschheit wurde ausgelöscht und die anderen wenigen Überlebenden haben sich in extrem lichtempfindliche Albinos verwandelt, die sich eine eigene Gesellschaftsform namens "Die Familie" geschaffen haben, die unter der Führung des ehemaligen Nachrichtensprechers Matthias (Anthony Zerbe) steht. Sie haben jeder Technologie entsagt und sehen in Neville einen natürlichen Feind, der noch die Methoden der vergangenen Gesellschaft nutzt, Strom, Waffen und Technologie allgemein. Neville, als Wissenschaftler nicht ganz unbeteiligt an dem Schicksal der Menschheit, wehrt sich seit nunmehr drei Jahren gegen die Familie und versucht nebenbei ein Heilmittel zu entwickeln. Eines Tages entdeckt er aber, dass es doch noch andere Menschen gibt, die noch nicht an den Folgen des Krieges erkrankt sind. Er hält es zunächst für eine Illusion, hervorgerufen durch seine totale Einsamkeit. Aber als er schließlich doch einmal von der Familie gefangen genommen wird und Lisa und Dutch (Rosalind Cash, Paul Koslo) ihn befreien können, findet er neue Mitstreiter und versucht mit ihnen nicht nur endlich ein Heilmittel zu finden, sondern will mit ihnen auch ein neues Leben außerhalb der Stadt beginnen. Aber die Familie bleibt nicht inaktiv...
Der Beginn des Films vermittelt zunächst das Gefühl einer verhaltenen Idylle. Neville fährt mit seinem Cabrio bei schönstem Sonnenschein und mit Musik durch die Straßen der Großstadt. Außer ihm ist aber niemand auf den Straßen, kein Fußgänger, kein anderes Auto. Plötzlich stoppt er, greift nach seinem Maschinengewehr und schießt auf einen Schatten hinter einem Fenster. Spätestens jetzt merkt man als Zuschauer, dass irgendetwas hier nicht mit rechten Dingen zugeht. Die Stadt ist wie leergefegt, Neville in seinem Auto wirkt wie die letzte Ameise in einem riesigen Ameisenhügel. Er kann sich benehmen wie er will, die einzige Gefahr die ihm auf der Straße droht sind höchstens querstehende Autos, die ihm plötzlich hinter einer Abbiegung den Weg versperren. Braucht er ein neues Auto, nimmt er sich halt eins aus dem nächstbesten Autohaus. Die Einsamkeit führt ihn aber dazu, Gespräche mit unsichtbaren Personen zu führen. So fragt er noch höflich, was das Auto kostet, bevor er sich hineinsetzt und durchs Schaufenster hindurch auf die Straße düst. Sein Schachpartner ist eine Büste Cäsars, mit der er stets gepflegte Unterhaltungen führt, und der Film "Woodstock", den er sich in einem Kino alleine anschauen kann, wird zynisch als "Reisenerfolg, läuft ohne Unterbrechung schon im dritten Jahr" bezeichnet. Den kann er mittlerweile Zeile für Zeile mitsprechen und sich an eine Zeit erinnern, als die Erde noch voller Energie und Menschen war.
Die wahren Gefahren lauern allerdings in der Sicherheit der Nacht. Die Familie, eine Kreuzung aus Sekte, Lebensgemeinschaft und Lynchmob, sehen in ihm das letzte Relikt vergangener Tage. Matthias, der Anführer mit der Aura eines Charles Manson, hat alles was früher wie selbstverständlich genutzt wurde, verboten. Elektrische Energie wird von ihnen nicht genutzt und Tages- wie auch künstliches Licht schadet ihren Augen, verursacht regelrecht Schmerzen bei ihnen. Ihre Waffe ist das Feuer, "das alles reinigende Element" mit dem sie unter anderem auch versuchen Nevilles Wohnung zu zerstören. Anstatt sich in die Sicherheit einer einsamen Gegend außerhalb der Stadt zu begeben, zieht Neville es vor in seiner Wohnung zu bleiben, auch wenn sich die Familie jede Nacht vor seinem Fenster aufs neue bemerkbar macht. Er will sein altes Leben einfach nicht so aufgeben, sondern versucht noch so etwas wie die letzten Funken der alten Zivilisation aufrecht zu erhalten, während die Familie in ein Stadium der Barbarei und fanatischen Glaubens zurückgefallen ist. Getreu dem Zitat von Albert Einstein: "Ich weiß nicht mit welchen Waffen der 3.Weltkrieg geführt werden wird, der 4. wird aber mit Keulen ausgetragen." Das er überhaupt drei Jahre durchhalten konnte hat er dem Kodex der Familie zu verdanken, die es strikt ablehnt moderne Waffen zu benutzen und stattdessen auf Feuerschleudern zurückgreift.
Die Entdeckung, dass außer Neville noch andere "normale" Menschen leben, gibt ihm schließlich neuen Schwung. Seine Existenz hat er mittlerweile für sich nur darin begründet, alle Mitglieder der Familie auszulöschen, da alle seine bisherigen Experimente für ein Heilmittel fehlschlugen. Auch wenn er den wenigen Menschen im Grunde genommen helfen möchte, konnte er bisher sein eigenes Überleben nur durch das Töten anderer gewährleisten. Einen sich bereits im fortgeschrittenen Stadium befindlicher kranker Junge kann er durch sein eigenes Blut erfolgreich retten. Denn als Wissenschaftler konnte er sich im entscheidenden Moment ein Antibiotika spritzen, dass er selber entwickelt hatte, sich aber eigentlich noch im Teststadium befand. Mit Lisa lernt er auch die erste Frau seit drei Jahren kennen und außer ihr gibt es noch den ehemaligen Medizinstudenten Dutch sowie mehrere Jungendliche und Kinder, die es irgendwie geschafft haben, sich bislang der Mutation zu wiedersetzen. Die Gefahr einer Wandlung zu einer Kreatur der Familie ist aber stets gegeben. Wenn es passiert, kann es sich über Tage und Wochen hinziehen oder auch innerhalb von wenigen Stunden passieren. Daher drängt die Zeit endlich ein Heilmittel zu finden, damit er mit Lisa und den anderen den Beginn einer neuen Zivilisation setzen kann.
In seinen Grundzügen basiert der Film auf den Roman "I am Legend" von Richard Matheson, der 1954 zum ersten Mal veröffentlicht wurde. In dieser Geschichte kämpft Robert Neville nicht gegen Mutationen, sondern gegen Vampire und eine Agentin der Kreaturen namens Ruth wird ausgeschickt um ihn zu töten. Die ist aber von seiner Einzigartigkeit fasziniert und verliebt sich in ihn. Ruth wurde im Film durch Lisa ersetzt, die aber von Anfang auf der gleichen Seite wie Neville steht. War der Roman noch ein Produkt des Kalten Krieges, die Vampire konnte man leicht als Kommunisten sehen und Ruth als Doppelagentin, die versucht westliche Mächte zu unterwandern, kommen in Der Omega Mann die Kriegsängste der damaligen Zeit zum Tragen. Der Roman war aber nicht nur Inspiration für diesen Film, sondern auch für Last Man on Earth, 28 Days Later und sogar für Night of the Living Dead.
Eine apokalyptische Atmosphäre zu erzeugen gelingt dem Film recht gut. Straßen wie auch Geschäfte sind in einem desolaten Zustand. Überall ist Müll verteilt, vereinzelt liegen sogar Leichen offen herum um die sich niemand mehr kümmern wird. Neville nimmt sich hier und da was bei seinen Streifzügen mit, läßt es aber einfach dort liegen wo er gerade ist, wenn er es nicht mehr braucht. Die Familie sind als Mob eine wahre Mauer der Bedrohung, die von einem mitreißenden Anführer geleitet wird. Ein Football-Stadion wird als Exekutionsplatz für Neville auserkohren. Auch dort liegen überall große und kleine Gegenstände wie von einem Sturm durcheinandergeweht. Die grau-braune Farbgebung des Films unterstützt die allgemeine Atmosphäre zusätzlich, richtige bunte Farben gibt es nur sehr selten zu sehen. Zudem kann der Film im letzten Drittel mit einer gewissen Tragik aufwarten, die sich aktuelle Hollywood-Produktionen heutzutage nicht mehr trauen würden. Zwar sieht man ihm seine 70er-Jahre Herkunft an, die Klamotten, der "Woodstock" Film, Elemente des damals populären "Blaxploitation" Kinos in Form von Lisa, hat aber trotzdem nicht viel von seiner Aussagekraft verloren und stellt immer noch eine außergewöhnliche Erneuerung des in den 50er Jahren so bliebten Paranoia-Kinos amerikanischer Science Fiction Filme dar.
Warners Restaurationsabteilung hat wieder mal ganze Arbeit geleistet. Der Omega Mann wird mit einem fast makellosen anamorphen Bild in seinem original Format präsentiert. Bildschäden gibt es so gut wie gar nicht zu sehen und auch die MPEG-Kodierung ist nahezu perfekt. Nur ganz selten lassen sich Kompressionsartefakte entdecken und ein Bildrauschen tritt nur sehr dezent auf. Auch bei der Farbsättigung und dem Kontrast gibt es kein Grund zur Kritik und die Schärfe lässt auch kleinere Details noch gut erkennen. Nur in manch dunklen Szenen lassen sich feinere Objekte nicht mehr ganz so gut erkennen, aber das wiegt in Anbetracht der Gesamtleistung nicht sehr schwer. Alle Tonspuren liegen in Mono vor. Während der englische und spanische Ton störungsfrei aus den Boxen kommt, meine ich beim deutschen Ton leichte Verzerrungen in manchen Dialogen vernommen zu haben. Insgesamt ist der englische Ton der druckvollste von allen dreien, was der Musik von Ron Grainer sehr zu gute kommt, während die anderen dagegen etwas verhaltener zu hören sind. Dafür ist die Dialogverständlichkeit durch die Synchronisation bei der deutschen Spur besser. An Untertiteln bekommt man neben Englisch und Deutsch noch einige andere Sprachen mehr geliefert.
Das wenige Bonusmaterial beginnt mit einer als Vorwort betitelten Interview-Featurette, die gerade mal 4 Minuten lang ist. Hier kommen kurz die Drehbuchautorin Joyce H. Corrington und die beiden Schauspieler Paul Koslo (Dutch) und Eric Laneuville (Lisa Bruder Ritchie) zu Wort, unterbrochen von einigen Filmszenen. Sehr viel informatives erfährt man in der kurzen Zeit natürlich nicht, was eigentlich sehr schade ist, da man erkennt, dass die Personen doch so einiges zu erzählen hätten. Danach folgt die neuneinhalb-minütige Dokumentation "The Last Man Alive - The Omega Man", mehr eine kleine Featurette zur Promotion des Films. Immerhin erfährt man hier, dass die Außenaufnahmen hauptsächlich an Sonn- und Feiertagen gemacht wurden, um die Illusion einer verlassenen Großstadt zu bekommen. Außerdem gibt es einige Behind-the-Scenes Aufnahmen zu sehen. Da es sich um eine Produktion fürs Fernsehen handelt, ist das Bildformat natürlich in 1.33:1 und demonstriert so noch ungewollt nebenbei, wie eine Vollbild-Abtastung einem 2.35:1 Film in seiner Bildkomposition schaden kann. Der dritte und auch letzte Punkt bei den Extras ist der US-Kinotrailer. Auf das Textessay "Charlton Heston: Science Fiction Legend", das sich auf der US-DVD dieses Films befindet, wurde in Deutschland seltsamerweise verzichtet.
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31.10.2004, 15:22:01 Harry Hirsch
Der Omega Mann ist einer der Film bei denen ich nicht weiß ob ich ihn lieben oder hassen sollte Der Film bietet ganz klar einige Pluspunkte. Irgendwie faszinierend für damals sind die Aufnahmen der menschenleeren Stadt, die Fahrt mit dem Auto am Anfang, die zynischen Art und Weise des Hauptdarstellers.
Für mich ist der Film alleine wegen seinem Flair, welche für mich viele Filme dieser Zeit mit sich bringen sehenswert. Heston gibt sich wirklich mühe in seiner Rolle, was dem Film sehr gut tut.
Was dem Film meiner Meinung nach abspeckt ist die Szene des Hubschrauber Absturzes, die Flucht aus dem Baseballstadium und die ?gezwungene? Liebesgeschichte (das einzige Mädchen und der einzige Mann). An diesen Stellen glaubt man eher einen Trash-Film anzusehen.
Teilweise ist der Omega Mann auch sehr amüsant, Beispielsweise als Heston gegen Ende des Filmes mit seinem Geländewagen in das Schaufenster brettert und die Mutanten danach aus dem Weg räumt, bei der musikalischen Untermalung einfach ehrlich gut. Musste mir die Szenen gleich mehrmals ansehen.
Insgesamt ist der Film Sehenswert, in meine Sammlung passt er wirklich. Eigentlich bin ich von dem Film sehr angetan, ein cooler Streifen bis auf diverse angesprochenen Szenen...
Des Reviews ist nichts hinzuzufügen, sehr gut gemacht.
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04.10.2006, 13:53:32 Alexander Schneiders
Insgesamt kann ich dieser Kritik folgen, bei der Darstellung von "I am Legend", der vagen Buchvorlage, muss ich aber zwei Dinge einwenden.
1.) Die Vereinfachung, dort handele es sich um Vampire, erweckt doch bei denjenigen, die das Werk nicht kennen, einen falschen Eindruck des Fledermaus- und Samtcape-Genres. Tatsächlich sind die dortigen Wesen aber "wissenschaftlich" rationalisiert und unterscheiden sich nicht wesentlich von den Mutanten des Films, außer der starken religös motivierten Organisationsstruktur und Identität.
2.) Ein Bezug auf den kalten Krieg und die Bedrohung durch den Kommunismus entbehrt meiner Ansicht nach jeder Grundlage.