(Ein Kurzreview von Carsten Henkelmann)
Rebecca (Marianne Faithfull) beschließt eines Morgens aus dem biederen Leben als Ehefrau eines Lehrers in einem kleinen französischen Kaff auszubrechen, schnappt sich ihr Motorrad und macht sich auf den Weg nach Deutschland, um endgültig bei ihrem Geliebten Daniel (Alain Delon) zu bleiben...
Au weia... Wenn man nicht wüßte, dass "Easy Rider" erst ein Jahr später in die Kinos kam, könnte man leicht vermuten, dass die Franzosen versucht hätten mit "Nackt unter Leder" ihre eigene Version eines Motorrad-Roadmovie-Klassikers zu schaffen. Glücklicherweise ist "Nackt unter Leder" nie diesem Kultstatus zugesprochen worden, denn es ist einer dieser Filme, die zu 90% nur aus Rückblenden und den vertonten Gedanken des Hauptcharakters in Form einer Off-Stimme bestehen. Und so dröppelt die Handlung mit Flashbacks, Wunschgedanken und überflüssigen Einzelszenen so vor sich hin und man hat das "Vergnügen", ein hoffnungslos naives Blondchen durch die Gegend und bei ihren amurösen Abenteuern zu begleiten. Grenzdebil hockt sie dabei auf ihrem Motorrad (bei dem man sehr häufig deutlich erkennt, dass dies auf einem Anhänger befestigt war) und grinst sich einen in den Wind. Und dabei kommen dann noch hammermäßige Dialogzeilen wie "Deine Zehen gleichen kleinen Grabsteinen" ins Spiel, wo der Zuschauer ob dieser philosophischen Keulen vollends niedergestreckt wird.
Auf der anderen Seite hingegen, kann der Filme handwerklich durchaus überzeugen. Der Oskar-nominierte und -prämierte Kameramann und hier als Regisseur tätige Jack Cardiff verstand es die Landschaft immer zum Vorteil des Films einzufangen und es kommen ab und zu typische 1960er surreale Bildeffekte und Farbspielereien ins Spiel, die dem ganzen einen leichten Hippie-Touch geben. Den sehr handzahmen Erotikszenen kann man ebenfalls eine kleine Wirkung nicht absprechen, auch wenn sowas heutzutage schon fast im Vormittagsprogramm laufen könnte. "Nackt unter Leder" bleibt somit ein handwerklich solides, inhaltlich aber von Langeweile erfülltes Drama, das nie so wirklich aus dem Quark kommt und nach einem halbwegs neugierig machenden Anfang immer weiter talwärts rollt.
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