(Ein Review von Carsten Henkelmann)
Catherine Deane (Jennifer Lopez) arbeitet als Kinderpsychologin an einem neuartigem Projekt. Mit Hilfe modernster Computertechnik wird sie neuronal mit ihrem Patienten verbunden und kann sich so in dessen Gedankenwelt bewegen und auf einer unterbewußten Ebene mit ihm kommunizieren. Leider kommt sie im Fall des im Koma liegenden Jungen Edward Baines (Colton James) nicht weiter und seine Eltern wollen ihn wieder in eine herkömmliche Behandlung geben. Währenddessen ist das FBI unter der Leitung von Peter Novak (Vince Vaughn) auf der Suche nach einem Serienmörder, der junge Frauen entführt und tötet. Bei seiner letzten Leiche finden sie die Haare eines selten vorkommenden Albinohundes. Da das Tier registriert ist und auch durch Reifenspuren bekannt ist, was für einen Wagen der Killer fahren könnte, kommen sie auf die Spur von Carl Stargher (Vincent D'Onofrio). Sie stürmen sein Haus und finden ihn bewußtlos in seiner Wohnung liegend.
Die Untersuchung ergibt, daß Carl an einer seltenen und schweren Form von Schizophrenie leidet und sich jetzt in einem Zustand völliger Katatonie befindet und auch nicht mehr daraus erwachen wird. Somit gestaltet sich die Suche nach seinem neusten Entführungsopfer Julia Hickson (Tara Subkoff) als recht schwierig, denn in seinem Haus befindet sich kein Hinweis darauf, wo er Julia versteckt haben könnte. Und aus Videoaufzeichnungen wissen sie, daß Carl seine Opfer stets in einem luftdicht verschlossenen Kasten gefangen hält, wo sie nach 40 Stunden durch einlaufendes Wasser ertrinken. Da kommt den zuständigen Arzt die Idee, Carl zu Catherine und ihrem Team zu bringen. Trotz sehr geringer Erfolgschancen geht sie auf den Versuch ein, in sein Geist einzudringen und dabei sein Versteck herauszufinden. Alle nötigen Vorbereitungen werden getroffen und sie macht sich auf den Weg in die düstere und bedrohliche Welt seines gewaltbereiten Bewußtseins...
Die Gedankenwelt anderer Menschen bot schon des öfteren Regisseuren eine Möglichkeit, sich künstlerisch mit Kulissen, Farben und Effekten auszutoben. So schickte Joseph Ruben in seinem 1984er Werk Dreamscape seinen Hauptdarsteller durch die Träume anderer Menschen, darunter auch die atom-apokalyptischen Alpträume eines US-Präsidenten. Die Nightmare on Elm Street Reihe trieb das Traumwandeln bis in die Spitze des Möglichen. Auch die Virtual Reality wurden durch Filme wie Der Rasenmähermann oder Vernetzt - Johnny Mnemonic ausgiebig und effektbeladen behandelt. Der Videoclip-Regisseur Tarsem Singh (R.E.M.s "Loosing my Religion") kombinierte in seinem Debut beide Varianten und ließ noch etwas modernen Serial-Killer Stoff einfließen. Mit Jennifer Lopez in der Hauptrolle konnte er (und vor allem die geldgebenden Produzenten) sicher sein, daß nicht nur Cyberpunk- und Science Fiction Fans ins Kino gehen.
Eines muß man dem Regisseur auch neidlos zugestehen: er hat ein gutes Auge für Ästhetik und Design, die surrealen Welten im Geiste des Killers sind schon recht abgefahren und gerade die düsteren Passagen haben ein wenig den Touch der Fantasy-Bilder des amerikanischen Künstlers Brom. Aber trotz aller schöner Bilder ist der Film in seinen düsteren Momenten doch verdammt hart. Carls Kindheitserinnerungen sind geprägt von seinem brutalen Vater, der ihn bei der Taufe zulange unter Wasser hält, ihn schlägt wenn er einen Teller fallen läßt oder sogar mit einem heißen Bügeleisen traktiert, nur weil Carl mit Puppen gespielt hat ("Ich ziehe doch keine Schwuchtel groß!") Catherine beobachtet ihn beim Ausweiden eines seiner Opfer und Peter wird einer traumatischen Folter unterzogen, die aus einem Bild von Hieronymus Bosch oder Pieter Bruegel entsprungen sein könnte. Die reale Welt wird dagegen eher nüchtern-normal dargestellt, ohne viel besonderem Schnickschnack und wirkt damit als Gegenpol zu den Gedankentrips. Betrachtet man aber mal den Film als ganzes so ist er leider eher durchschnittlich. Denn der Film hat ein großes Problem: er ist einfach nicht spannend. Der Killer ist ziemlich schnell bekannt und wird auch vom FBI gefunden. Danach stellt er allerdings in der realen Welt keinerlei Gefahr mehr dar, denn aus seiner Katatonie kann er nicht mehr erwachen. Und in der Gedankenwelt ist er zwar der böse Dämon, aber von dort kann Catherine rein theoretisch immer durch Knopfdruck auf einen Mikrochip flüchten wenn es ihr zu gefährlich wird. Der filmerfahrene Zuschauer kann sich sowieso zur Hälfte denken, wie der Film ausgeht, die einzige Überraschung liegt noch darin, wie denn wohl die Welt des Killers beim nächsten Eintritt aussehen könnte. Großbudgetierte stilisierte Langweile.
Ein weiteres Manko ist die wieder einmal recht oberflächliche Charakterzeichnung der Protagonisten. Catherine, Peter und deren Kollegen sind recht austauschbare Personen ohne viel Tiefgang. Zwar sind Ansätze vorhanden, die eine Vertiefung der Personen zugelassen hätten, aber die wurden nicht konsequent weitergeführt. So entwickelt sich z. B. ein Gespräch zwischen Catherine und Peter, in dem sie meint, daß es durchaus begründet ist, wenn aus sexuell misshandelten Kindern später mögliche Killer werden. Er erwidert das zwar mit einer zweideutigen Antwort, die darauf schließen lassen könnte, daß er ebenfalls als Kind mißhandelt wurde, aber genaueres bleibt trotzdem unklar. Den einzigen Charakter, den man wirklich kennenlernt, ist da nur Carl Stargher, denn durch den Eintritt in seine Welt bekommt man das meiste von seinem Wesen und seinem Verhalten mit. Hier scheint den Hollywood-Leuten aber entgangen zu sein, daß der Killer nach der sonst üblichen schwarz-weiß-Zeichnung nicht als der Böse rüberkommt, sondern man könnte fast Verständnis für seine Taten aufbringen und wird somit fast zur Sympathiefigur. Es ist ohnehin der einzige Charakter der ein bißchen Akzente zu setzen vermag und das ausgerechnet von einem Serienkiller.
Bei all der Bilderflut kamen zudem ein paar Plotholes zustande, die schon beim ersten Betrachten des Filmes auffallen, wenn man mit ein wenig Aufmerksamkeit dabei ist. Wie kann es z. B. sein, daß sich Catherine beim zweiten Eintritt scheinbar noch in ihrem Labor befindet und ihre Kollegen hinter einer Glasscheibe sitzen, wenn der Killer nie im bewußten Zustand das Labor gesehen hat? Und wie kann Peter Catherines Mikrochip zur Flucht drücken, wenn der eigentlich in der realen Welt physikalisch betätigt werden muß, Peter aber einen Meter davon entfernt in seinem Anzug an den Fäden hängt und Catherines Hand somit gar nicht erreichen kann? Während Peters Eintritt in Carls Welt versucht er Catherine zu retten, indem er ihr den Tod ihres Bruders in Erinnerung ruft, um somit Emotionen in ihr zu wecken. Ein Punkt, der vorher im Film nie angesprochen wurde und hier irgendwie deplaziert wirkt, nur um die Geschichte voranzutreiben. Eher amüsant ist dagegen schon der Punkt, daß das Opfer Julia Hickson ihren Wagen per Fernbedienung aufschließt, nur um dann doch den Schlüssel ins Türschloß zu stecken...
Insgesamt gesehen ist der Film eine recht zwiespältige Sache. Rein optisch weiß er absolut zu begeistern, die Story an sich ist leider nur unteres Mittelmaß. Die Serienkillerthematik verliert sich nach der Hälfte des Films und es geht nur noch darum, möglichst viel von Carls innerer Welt zu zeigen und wie die Hauptdarsteller sich darin behaupten müssen, denn Carl ist dort scheinbar übermächtig und nur schwer zu erreichen. Die ganze Serienkillerstory hätte man auch gut komplett weglassen können, sie bietet nur ein dünnes Handlungsgerüst um die späteren Ereignisse zu rechtfertigen. Was mit Carls letzten Opfer passiert, ob es noch rechtzeitig gefunden wird oder nicht, ist dem Zuschauer dann schon fast egal. Am Schluß trennen sich sowieso die Handlungsstränge Opfersuche und Ergründung der Killerseele und haben dann nichts mehr miteinander zu tun. Carl ist die einzige Person im Film, die man genauer kennenlernt und der Catherine am Schluß sogar selber noch sagt, was sie zu machen hat um den Dämon in ihm zu töten. Somit bleibt ihr eigentlich nur die Rolle der Erlöserin seines Leidens und nicht die "Gedankendetektivin", wie es zuerst aufgebaut wird.
Wie bereits geschrieben war Regisseur Tarsem Singh bislang nur im Videoclipbereich tätig. Bei seinem nächsten Filmprojekt handelt es sich um Constantine, die Verfilmung der Comicreihe Hellblazer aus dem Verlage DC Comics. Wer die Comics kennt, weiß das es sich hierbei auch nicht gerade um leichtverdauliche Kost handelt. Ich bin jedenfalls gespannt, aber gleichzeitig auch verdammt skeptisch, denn die Comics gefallen mir ganz gut. Für den Soundtrack zeichnet sich Howard Shore verantwortlich, der sehr viel für David Cronenberg gearbeitet hat und auch die Lord of the Rings Filme vertonen durfte. In The Cell arbeitete er teilweise mit Instrumenten aus Indien, der Heimat des Regisseurs. So kamen ein paar recht ungewöhnliche Stücke zustande, die sich aber trotzdem gut anhören und auch zu den Bildern passen. Ich könnte mir allerdings auch vorstellen, dass sie manchen Leuten etwas zu kakophonisch klingen...
Bei den Schauspielern sticht lediglich Vincent D'Onofrio heraus, und der hat schon seinen Platz in der Filmgeschichte sicher. Nicht als Killer Carl Stargher, sondern als Private Gomer Pyle, oder Private Paula wie er in der deutschen Version hieß. Der Soldat aus Kubricks Full Metal Jacket, der dem Drill in der Army nicht standhalten kann und sich dann schließlich auf der Toilette den Gewehrlauf in den Mund schiebt. Danach hatte D'Onofrio verschiedenste Rollen, darunter auch als Legende Orson Welles in Tim Burtons Porträtfilm Ed Wood. Jennifer Lopez wird den meisten als Schauspielerin wohl erst 1997 in Oliver Stones U-Turn oder in Sonderberghs 1998er Produktion Out of Sight aufgefallen sein. Hier wirkt sie irgendwie fehlplaziert und man nimmt ihr ihre Rolle einfach nicht ab. Neben ihrer Versuchen der Schauspielerei ist sie ja auch als Trällerin belangloser Popsongs bekannt. Vincent Vaughns erste Teilnahme an einem größeren Projekt war Steven Spielbergs Mainstreamschrott Jurassic Park. Später spielte er unter anderem in dem unsäglichen Remake von Psycho den bekanntesten Killer der Filmgeschichte, Norman Bates. In The Cell wirkt er irgendwie unterfordert, und hat fast immer den gleichen Gesichtsausdruck drauf.
Die deutsche DVD ist ausstattungstechnisch größtenteils identisch zu der amerikanischen DVD. Dabei ist der Film allerdings einmal in der FSK 16 Kinofassung erhältlich und in der längeren FSK 18 Version. Diese 18er-Fassung ist quasi der Director's Cut (die 16er wurde also nicht gekürzt, sondern die 18er nur erweitert) und beinhaltet ein paar minimale Szenen mehr im Film. Die DVD kommt als Doppel-DVD-Set in einem schmucken Digipack und enthält zahlreiche Extras. Bild und Ton sind natürlich für so einen aktuellen Film erste Sahne, frei von jeglichen Schäden oder starken Kompressionsartefakten. Der Audio-Kommentar von Tarsem Singh ist teilweise recht interessant und gibt einige Details über die Dreharbeiten frei. Allerdings muß man schon gut zuhören, denn er spricht ziemlich schnell, was wahrscheinlich durch den PAL-Speedup (Geschwindigkeitssteigerung durch Konvertierung des Materials in das europäische Filmformat PAL, das ja ein Frame pro Sekunde mehr zeigt als NTSC) noch verstärkt wird. Dabei verschweigt er auch nicht die Schattenseiten, z. B. die oben erwähnten Probleme mit dem Studio oder auch seine Distanz, die er zu der Schauspielerin Tara Subkoff hielt. Die machte ihm Versprechungen, die sie nicht oder nur unzureichend einhalten konnte und er fühlte sich hintergangen. Auch gesteht er einige Fehler im Film ein aus denen er gelernt hat. Beispielweise würde er nie wieder ein für die Story interessantes Detail neben seiner leichtbekleideten Hauptdarstellerin plazieren... Da sich auf der deutschen DVD neben der englischen Tonspur und dem isolierten Soundtrack auch noch je eine deutsche Spur in DD 5.1 und DTS befindet (hätte nicht einer von den beiden gereicht?), wurde der auf der US-DVD noch enthaltene zweite Audio-Kommentar nicht mit übernommen. In diesem Kommentar kommen einige Leute der technischen Abteilung zu Worte, wie z. B. Kameramann Paul Laufer, Kostümdesignerin April Napier, Howard Shore, FX Supervisor Kevin Haug und Production Designer Tom Folden.
Das weitere Bonusmaterial befindet sich auf der zweiten DVD und bietet ein fettes Programm: Acht Deleted Scenes, 3 davon alternative Versionen, alle mit optionalem Kommentar des Regisseurs. "Style as Substance", eine 12-minütige Mini-Doku, in der einiges von den Beteiligten gesagt wird, wie Tarsem Singh mit ihnen arbeitete, was er von ihnen forderte, aber auch viel unnötiges Gelaber, wie toll es doch wäre mit ihm zu arbeiten usw. Dann eine Dokumentation über die Visual Effects, wo die 6 größten Effektszenen erklärt werden. Mit Hilfe der Multi-Angle Funktion kann man bei jedem Beitrag umschalten zwischen Interview, Aufnahmen vom Set und den Storyboards. Neben den üblichen Trailerprogramm gibt es noch Filmographien von Cast & Crew und Trailer zu anderen Filmen. Hinter dem Menüpunkt "Interaktive Extras" verbergen sich ein Empathie-Test, ein pseudo-psychologischer Test, ob man empfänglich ist für die Emotionen und Gefühle anderer Personen, und ein kleines Lexikon über das menschliche Gehirn. Außerdem befindet sich auf der DVD noch der deutsche Amateur-Kurzfilm Geteiltes Leid. Der steht zwar thematisch nur in einem ganz lockeren Zusammenhang zum Hauptfilm, ist aber recht akzeptabel gemacht und bietet gerade am Schluß eine fette Portion ultra-schwarzen Humors.
© Sense of View
Alle Rechte vorbehalten.
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der Redaktion.
13.03.2004, 14:39:02 calibretto
nechdem ich den trailer sah war für mich folgendes klar: den film muss ich haben! da es eine reichlich bestückte special dvd gibt, war ich lange am überlegen, bin aber dann doch in die videothek gegangen, um mir den film auszuleihen. ZUM GLÜCK!!!
dieser film ist der lebende beweis dafür, dass man trotz toller kulissen, einer herrlichen farbenpracht und einer an sich guten story dennoch einen ganzen film derart langweilig drehen kann. der einzige lichtblick der dvd ist ein deutscher kurzfilm, der 'he cell' bei weitem in den schatten stellt.
dass es so enden musste ist eigendlich schade, denn die story hat echt was an sich. man hoffe an dieser stelle auf ein gelungenes remake.
© 1998 - 2024: Sense of View / Carsten Henkelmann
23.10.2006, 13:47:51 proper ( )
Der Film ist fantastisch. Er bezieht seine Spannung aus der Suche nach dem Aufenthaltsort der letzten entführten jungen Frau. Sie muß gefunden werden, bevor das Wasser ihre Zelle überschwemmt hat. Und das geht nur über die Gedankenwelt eines Psychopathen, der im Koma liegt! Und hier kann der Regisseur sich voll ausleben. Die Bilder, die hier erzeugt werden, sind so Bildgewaltig, so fantastisch, so plakativ, das es einen fast erschlägt. Selbst nach wiederholtem sehen, verschlägt es mir noch die Sprache.
In dieser Review gibt es den einen oder anderen Fehler! Die Frage (siehe Plotholes): wieso befindet sich Catherine beim 2ten Eintritt im Labor, obwohl Starger das Labor noch nie von Innen gesehen hat? Weil Starger zu ihr gekommen ist! Schließlich tötet sie ihn ja auch am Ende, weil sich alle in ihrer Gedankenwelt befinden.
Die 2te Frage danach ist noch schneller beantwortet. Peter drückt seinen eigenen Knopf!