(Ein Review von Carsten Henkelmann)
Im alten Japan wird der Kämpfer Izo grausam von seinen Gegnern getötet. Von seiner Rache angetrieben kehrt er schließlich zur Erde zurück und tötet unzählige Feinde. Seine Rache führt ihn dabei durch verschiedene Zeiten und Orte und nach unzähligen Kämpfen ist er dem Wahnsinn nahe und steht seinem letzten großen Gegner gegenüber...
Es passiert selten, dass man einen 2-Stunden-Film in so wenigen Sätzen zusammenfassen kann, ohne das man dabei irgendwelche Details aus der Handlung vermissen würde. Worum es in diesem Film geht, kann man schon in den ersten 20 Minuten erkennen. Izo stirbt brutal am Kreuz, wo ihn Soldaten mit Lanzen perforieren. Die eigentliche Vorspann-Sequenz vermischt dann Szenen einer Geburt mit Kampfmomenten aus diversen Kriegsaufnahmen und danach sieht man Izo als vermummten Kämpfer durch die Straßen einer japanischen Großstadt ziehen. Kurz darauf steht er in einem Wald und seinem ersten Gegner gegenüber, ebenfalls ein Samurai. Dieser wird im Handstreich getötet und während einer bestimmten Gruppe von Leuten bewußt wird, dass Izo zurückgekehrt ist, zieht dieser weiter durch die Lande, sieht sich im 5-Minutentakt irgendwelchen Kämpfern gegenüber und tötet alle. Dieser Rhytmus zieht sich dann bis zum Finale des Films durch.
Wie kann ein einzelner Mensch denn nur so gnadenlos sein?
Das liegt daran, dass ich einmal ein Mensch war.
Sind denn alle Menschen so gnadenlos und so grausam?
Gnadenlosigkeit ist die Wurzel allen Lebens.
Gewalt erzeugt Gegengewalt, nach dem Tod folgt die Erschaffung neuen Lebens. So könnte man grob zusammenfassen, was Takashi Miike hier mit seinem Izo ausdrücken wollte. Das ist allerdings keine neue Erkenntnis und der Inszenierungsstil des Films vermag dabei auch nicht mal die Zuschauer zu begeistern. Izo folgt nur bedingt einer linearen Handlung und wird ständig von surrealen Momenten durchbrochen. Ohne einen narrativen Sinn dahinter zu erkennen stolpert Izo von einem Ort zum nächsten. Rollt er gerade einen Hang hinunter, so ist es im nächsten Schnitt dann schon die Schräge eines Daches in irgendeinem Dorf. Trifft er auf einige bestimmte Gegner, gibt es häufig eine Rückblende auf deren letzte Begegnung irgendwann in der Vergangenheit.
Surreale Sequenzen sind in einem Film ja nicht unbedingt schlecht und wer an den Filmen eines Alejandro Jodorowskys (El Topo, David Lynchs oder Shinya Tsukamotos (Tetsuo - The Iron Man) Gefallen findet, den wird sowas sicherlich nicht schocken. Aber in Izo wirkt dies leider ein wenig wie aus dem Ruder gelaufen. Die Aneinanderreihung von Szenen, die an komplett verschiedenen Orten oder Zeiten spielen, bekommt hier einen ungünstigen Patchwork-Charakter. Vieles wirkt wie willenlos aneinandergereiht und bereits nach einer halben Stunde wird man der blutigen Kampfsszenen überdrüssig. Mag die Anfangssequenz mit den am Kreuz hängenden Izo noch für ein paar Ekelmomente sorgen, so ist man irgendwann durch die vielen Blutfontänen so dermaßen abgestumpft, dass der Film fast langweilt. Die extrem expliziten Splatterszenen sind zwar die Minderheit und über die Lauflänge des Films verteilt, aber auch die ganzen Schwertschwingereien und hochspritzenden Blutmassen sorgen schon ausreichend für einen Abstumpfungseffekt. Zudem kennt man dies ja bereits aus klassischen Samuraifilmen wie die Okami / Lone Wolf and Cub Reihe.
Der zweite Knackpunkt an diesem Film ist seine leider zu offensichtliche Produktion als Low-Budget-Movie. Gleich bei der ersten normalen Spielszene macht sich bemerkbar, dass diesem Werk der typische "Film-Look" fehlt. Izo wirkt wie ein TV-Film oder Videoclip gedreht. Dies verstärkt noch den künstlichen und plastischen Eindruck der teilweise recht billig anmutenden Studiokulissen, die manchmal wie die Bühnenaufbauten eines Theaterstücks aussehen. Im Finale machen sich dann auch noch unausgereifte und recht unspektakuläre CGI-Effekte bemerkbar. Von Miike kennt man es ja, dass er auch häufig bei relativ billigen Produktionen die Regie führt. Allerdings vermag Izo keinerlei Akzente zu setzen und gehört zu den deutlich schwächeren Filmen in seiner Filmographie. Auch wenn es trotz allem ein paar nette Szenen gibt (die unzähligen Soldaten in dem Haus im letzten Drittel, die Konfrontation mit seiner ersten weiblichen Gegnerin), so können diese den durchwachsenden Gesamteindruck nicht mehr heben. Izo verzettelt sich zu sehr in seinen zahlreichen Kampfsequenzen.
Wobei man nicht unbedingt sagen kann, dass kein System bzw. kein Sinn hinter dieser losen Aneinanderreihung von Kampfszenen steckt. Izo trifft auf seinem Weg so ziemlich jede typische Klischeefigur, die man mit der japanischen Kultur in Verbindung bringt. Seien es Samurais, Geishas, brutale Jugendgangs, Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg oder gar einfache Familien und Schulmädchen, Izo gerät mit jedem Typ in Kontakt und muss sich seinen Weg freimorden. Dies soll einen Blick auf die japanische Kampftradition und -Geschichte werfen, die sicherlich nicht unblutiger ist als die anderer Länder. Zudem diskutieren hier Wissenschaftler und Minister, wie sie Izo entfernen können, machen aber einen auf Duckmäuserich, sobald er vor ihnen steht. Dies und eine Begegnung Izos mit zwei Vertretern, die sich als Vampire entpuppen, sollen wohl zudem Machthierarchien kritisieren, deren Mitglieder meistens aus sicherer Entfernung andere in den Tod schicken.
Etwas gewöhnungsbedürftig fallen die Dialoge aus, die extrem zwischen pseudo-philosophischen Blödsinn und hochintelligenten Aussagen schwanken und dem Film noch mehr den Charakter eines Kunstfilms geben. Was hier allerdings wirklich zu gefallen vermag, ist die Figur eines Sängers, der zu harten Klängen einer Akkustik-Gitarre die Handlung mit philosophischen Texten begleitet und des öfteren plötzlich irgendwo in der Szenerie auftaucht und so dem ganzen noch mehr Surrealität verleiht. Mag die Musik und vor allem seine Art zu singen zunächst etwas gewöhnungsbedürftig erscheinen, so bieten sie doch eine Art Pause innerhalb der ganzen Meuchelei und entbehren nicht einer gewissen akkustischen Faszination.
Wer also noch nie oder selten mit dem japanischen Kino in Kontakt kam, sollte Izo tunlichst meiden. Die überbohrte Gewalt, die Produktion als Low-Budget Film, die fast völlige Abstinenz eines durchgehenden Soundtracks und somit etwas "trockene" Inszenierung machen den Film für unvorbereitete Zuschauer extrem schwer verdaulich. Aber auch wer bereits mit dem Werken von Takashi Miike vertraut ist, wird nicht unbedingt sofort was mit Izo anfangen können. Von Filmen wie Dead or Alive, Audition oder Visitor Q unterscheidet sich dieser Film trotz allem sehr stark. Izo hat sicherlich seine kleinen Qualitäten, aber durch die endlose Aneinanderreihung von Kampfszenen und der relativ langen Laufzeit von knapp über zwei Stunden verliert sich vieles in Bedeutungslosigkeit. Auf eine halbe Stunde hätte hier locker verzichtet werden können, ohne dem Film irgendetwas wichtiges zu nehmen. Und selbst dann wäre es für die meisten Zuschauer noch ein recht hartes und anstrengendes Werk.
Takashi Miike hat sich in den letzten Jahren keine Ruhe gegönnt und so konnte man vor Izo bereits zahlreiche andere Filme wie Chakushin ari (One Missed Call), Shin jingi no hakaba (Graveyard of Honor), Gokudô kyôfu dai-gekijô: Gozu (Gozu) oder seine Episode in Three... Extremes sehen. In einer Nebenrolle tritt hier Takeshi Kitano auf, den man aus seinen Filmen wie Hana-Bi, Sonatine oder kontroversen Werken wie Battle Royale kennt, vor Izo sah man ihm in dem Zatoichi Remake.
In Deutschland hat sich Rapid Eye Movies dieses sicherlich nicht leicht vermarktbaren Titels angenommen. Die Bildqualität zu bewerten ist nicht ganz einfach, da neben den normalen Spielfilmhandlungen auch Archivmaterial von Kriegsaufnahmen verwendet wurde und eine Kampfszene ganz bewußt auf "alt" getrimmt wurde. Richtig scharf wird das Bild höchstens mal in Nahaufnahmen, ansonsten liegt die Schärfe eher bei Durchschnittswerten. Die Farben könnten häufig einen Tick satter erscheinen, die Kompression hat bei Szenen mit feinen Details (grüne Wiesen) auch so ihre Probleme und der Kontrast vermag kleine Details in dunklen Szenen nicht gut wiederzugeben. Hier haben diese Probleme aber wahrscheinlich schon den Ursprung in der Produktion des Films und liegen nicht unbedingt in beim DVD-Mastering bei Rapid Eye Movies.
Der Ton liegt einmal in der japanischen Originalfassung in Dolby Digital 2.0 vor und auch in der deutschen Synchronisation in einer Dolby Digital 5.1 Abmischung. Letzteres wäre nicht unbedingt nötig gewesen, da der Ton extrem frontlastig ist und nur sehr selten mal was zu den hinteren Lautsprechern gelangt. Die Dialoge kommen verständlich aus dem Center, die Stereofront wird - wenn es sich anbietet - genutzt, aber die Rears werden nur mal mit einem Hall-Effekt oder ähnlichem gefüttert und das eben nicht sehr häufig. Die deutsche Synchronisation ist im Übrigen überraschenderweise recht gut geworden, ein kleines Lob an Rapid Eye. Lediglich die deutschen Untertitel sind durch den ungewöhnlichen Font etwas schwierig zu lesen, ein etwas deutlicherer Standard-Zeichensatz wäre da vielleicht besser gewesen.
An Extras gibt es nur ein Making-of und den Trailer zum Film. Das 20-minütige Making-of ist leider nur ein unkommentierter Blick hinter die Kulissen während der Dreharbeiten, wo nur ein paar meist unerhebliche Textzeilen weitere Informationen zu dem Geschehen liefern, dazu gibt es deutsche Untertitel. Der Trailer ist mit 3 Minuten recht lang geraten und zeigt in kompakter Form fast alle Gegner auf die Izo im Laufe des Films trifft.
© Sense of View
Alle Rechte vorbehalten.
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der Redaktion.
06.07.2006, 00:54:32 the mad ( )
ich muss dazu sagen: der film überzeugt mich mit seiner unstimmigkeit und sinllosigkeit. manche mögen diesen film als kunst ansehen, ich für meinen teil kann hier nichts künstlerisches finden.
zu beginn des filmes hat er noch geschockt, aber die schon mehrfach erwähnte abstufung tritt sehr schnell ein. auch die dialoge sind eher stumpf und schwachsinnig.
auf mich wirkt der film eher wie eine aneinanderreihung von gewalt- und blutszenen, die überhaupt nicht oder für mich nicht erkennbar im zusammenhang stehen.
zu der verteidigung des filmes und zur vorbeuge von missverständnissen gebe ich zu, dass ich erst wenige filme von Takashi Miike gesehen habe.
29.10.2005, 14:17:57 WhiteTrash ( )
Also ich muss den teilweise doch sehr harschen Kritiken zu IZO widersprechen.
Sicherlich ist es keiner der üblichen Miike-Filme. Keine Yakuzas, kaum echte (Schuss-)Waffen-Gewalt.
Sicher gibt es auch die ein oder andere Kampf-Szene, die man hätte weglassen können.
Jedoch muss man sehen, dass sich IZOs Wahnsinn und Traurigkeit von Kampfszene zu Kampfszene steigern. Dadurch wird auch die zunehmende Stumpfheit symbolisiert, mit der er seine Opfer "schlachtet". Auf die Spitze getrieben zuletzt, als der Tötungsakt gar nicht mehr gezeigt wird: die Szene, in der er die Kinder und deren Eltern/Betreuer auf dem Rummelplatz "richtet"
Die Dialoge sind überwiegend ebenfalls nicht sinnfrei. Sie sind eben sehr existenzialistisch: man meint, das Buch eines japanischen Sartres zu lesen.
Zur "Kulissen-Kritik": auch hier mag sein, dass die Kulissen hätten opulenter ausfallen können, jedoch unterstreicht dies ebenfalls das "Unechte" des Films: er ist eben keiner Zeit zuzuordnen, ist reine Kunst und Fiktion, weil das, was geschieht, nie sichtbar passiert, sondern in IZOs Innerem abläuft. Und nicht nur in seinem...
Deshalb auch folgender Tip: schaut euch den Film nicht an, wenn ihr gerade in einer kleinen Krise seid: er wird euch nach unten ziehen, vor allem wenn zum Schluss in großen Lettern: "Schau dich an - und dann sag mir wie du gelebt hast" auf dem Bildschirm steht.
Ich für meinen Teil habe mir die DVD jedenfalls erst gekauft, als ich den Film zuvor schon zweimal auf Video gesehen hatte. Ich halte ihn nicht für den Massengeschmack (und damit meine ich auch den allgemeinen Miike-Geschmack) geeignet, kann ihn jedoch uneingeschränkt empfehlen. Er ist anders, er ist Kunst. Und Kunst ist ja immer ein zweischneidiges Schwert.
17.10.2005, 11:50:37 tetsu ( )
Die Review trifft den Nagel ziemlich auf den Kopf. Alles in Allem driftet der Film in eine Beliebigkeit ab, die nicht nur verwirrt sondern auch sehr schnell langweilt. Irgendwie wirkt alles sehr lieblos zusammengestoppelt und die Art und Weise wie Izo durch die Jahrhunderte stolpert und jeden der seinen Weg kreuzt aus den selben räumt, ist nur in wenigen Szenen sehenswert. Der, ähm, "philosophische Background", der nur in wenigen Fällen tatsächlich die diffuse Story zu erhellen weiß, wird von Minute zu Minute aufdringlicher eingetrichtert und verliert sich meistens in, zumindest für mich, unnachvollziehbare Hohl- und Plattheiten (insofern passt er ja so auch wieder prächtig zum optischen Stückwerk).
In Erinnerung geblieben ist mir nur die schöne Szene, in der kleine Schulkinder - unter anderen - über die Liebe philosphieren und derselben jede Sinnhaftigkeit oder sogar Existenz in Abrede stellen. Das hat mir gut gefallen: kleine, ach so süße Fratzen zerpflücken ganz trocken und emotionslos die Liebe.
Dieser kleine Lichtblick reißt den Film aber auch nicht wirklich raus (ebenso wenig die irgendwie beliebig eingestreuten Auftritte des großen Takeshi Kitano und die eigentlich sehr stimmigen Songs dieses manischen Barden).
Wenn man sich eine Miike-Film anschauen will, dann Audition, Graveyard of Honor, Ichi, Visitor Q, Dead or Alive, Bluesharp, Fudoh... - welchen auch immer (sogar der etwas aus dem Ruder gelaufene "full metal yakuza" weiß mehr zu begeistern), aber tut euch diesen Schmarn nicht an...
Die Aufmachung der DVD ist allerdings sehr gelungen - das ist man ja von Rapid Eye Movies eh gewohnt.
© 1998 - 2024: Sense of View / Carsten Henkelmann
19.10.2006, 14:58:28 Tonga Wabonga ( )
Ich mag Miike und besitze eine ganze Reihe seiner Filme; kann mich der Meinung, "Izo" würde nicht nur aus jedem erdenklichen Mainstream-, sondern auch aus dem Rahmen des Miike-Oevres fallen, nur bedingt anschließen. Vielmehr denke ich, daß "Izo" wesentliche Kennzeichen von Takashi-Miike-Filmen (in, zugegeben, reichlich anstrengender Weise) auf den Punkt bringt: Welche Kennzeichen? Z.B. merkwürdige bzw. schwer erkennbare Spannungsbögen, den Eindruck des Aneinandergereihten bzw. Beliebigen, gelegentliche Längen und somit (aus meiner Sicht) eine unbekümmerte Drauflos-Attitüde, die auf alle filmischen Konventionen einen Scheiß gibt - und deswegen schätze ich Miike sehr, auch wenn er mir mitunter natürlich gehörig auf den Sack geht...aber geht einem das nicht manchmal sogar bei allerbesten Freunden so?!
Unglaublich ist übrigens dieser japanische Schepperfolk-Schreihals, der alle 10 min. irgendwo auf den Sets sitzt und sich die Sehle aus dem Leib kehlt beim Absingen seiner philosophischen Stream-of-Cosciousness-Epen. Respekt. Und ein bißchen Angst.