Film Daten

Titel:
Collateral
Originaltitel:
Collateral
Land & Jahr:
USA 2004
Regie:
Michael Mann
Darsteller:
Tom Cruise
Jamie Foxx
Jada Pinkett Smith
Mark Ruffalo
Peter Berg
Bruce McGill
Weitere Infos:
IMDB  OFDB

Collateral

(Ein Kurzreview von Carsten Henkelmann)

Bei seiner täglichen Arbeit als Taxifahrer lernt Max (Jamie Foxx) erst die nette und hübsche Anwältin Annie (Jada Pinkett Smith) kennen. Noch ganz hin und weg von der Begegnung steigt schon der nächste Fahrgast ein, Vincent (Tom Cruise). Er bietet ihm 600$ für die ganze Nacht, wenn Max ihn zu mehreren, über der Stadt verteilten Orten hinbringt. Für Max kein Problem, aber ziemlich schnell stellt er fest, dass Vincent ein Auftragskiller ist und Max ihn zu den einzelnen Tatorten fahren soll...

Meine Güte, dass ich das noch erleben darf. Seit "L.A. Confidential" gab es keinen richtig guten Thriller mehr aus Hollywood. Clint Eastwood legte zwar zwischenzeitlich mit "Mystic River" ein beeindruckendes Werk vor, das aber doch mehr Drama als Krimi war. Bei "Colleteral" weiß schon allein die Grundstory zu begeistern und die guten schauspielerischen Leistungen und die ruhige Inszenierung lassen die Charaktere richtig zur Geltung kommen. Sehr positiv fällt auch auf, dass, bis auf eine größere Szene im Mittelteil, weitestgehend auf überbohrte Actionszenen verzichtet wurde. Ein richtig netter Thriller, der ein wenig angenehm anders ist.

Autor: Carsten Henkelmann
Film online seit: 28.04.2005

Leser-Kommentare

17.05.2007, 08:51:44 Dietmar Kesten

COLLATERAL

ODER KOLLATERALSCHADEN

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 24.

SEPTEMBER 2004.

Unter Kollateralschaden versteht man in der Regel die unbeabsichtigte Zerstörung von meist zivilen Objekten sowie die unbeabsichtigte Tötung von Zivilisten bei einer militärischen Aktion. Seit dem Jugoslawienkrieg und dem 2. Golfkrieg hat dieser Begriff an Bedeutung gewonnen. Ob Regisseur Michal MANN („Der letzte Mohikaner“, 1992, „Heat“, 1995, „The Insider“, 1999, “Ali”, 2002) daran anknüpft? Selbst wenn dem nicht zugestimmt werden sollte, dann ist unübersehbar, dass der Film ein Todeskarussell mit Schäden an Menschen und Material ist und viel von jenem Sprengstoffwerk hat, das man zur Genüge aus der Life-Reality kennt. „Collateral“ mit Tom CRUISE als Hauptdarsteller ist wieder ein schuftiges Männerdrama, wo mit Gewalt nicht gezaudert wird, und wo sie der Kompass ist, der im stürmischen Meer der abstrusen Handlung keinen Ausstieg für Taxifahrer Max (Jamie FOXX) zulässt. CRUISE, der mit seinen letzten Filmen nicht zu überzeugen wusste, spielt den Auftragskiller Vincent, der in Los Angeles in den Wagen des Taxifahrers Max steigt, ihn mit einem Bündel Geldscheine darum bittet, zu einer Stadtrundfahrt aufzubrechen. Beim ersten Stopp stürzt eine Leiche auf das Autodach und Max, für den sich sein Leben in diesem Augenblick verändert, wird nun auch zum Opfer Widerwillen und mehr unfreiwilliger Komplize von Vincent, der mit Waffengewalt den Taxifahrer dazu zwingt, ihn auf seiner Todesfahrt zu begleiten. Im Angesicht der drohenden Gefahren entwickelt sich eine zunehmend düstere Stimmung und eine mehr als seltsame Beziehung der beiden Protagonisten, die den Zuschauern immer nur einen Finger reichen, niemals alle. Max wiegt sich in Sicherheit. Vermutlich, weil er mit dem Leben davonkommen will. Und Vincent, der dies nicht zulässt, trägt seinen Teil dazu bei, den aufgesetzten Situationen durch Killermentalität und vermeintlicher Sicherheitsheuchelei einen verschachtelten Handlungsablauf zu geben.

„Collateral“ will „Dauerspannung“ erzeugen. Lose Verbundszenen sollen eine „klaustrophobische Stimmung“ wiedergeben. Die „faszinierende Erzählung eines Jazzclub-Besitzers über eine Begegnung mit Miles Davis soll zu einem Gespräch auf Leben und Tod“ einmünden, schrieb Kay PINNO in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (22. September 2004) in seiner Filmbesprechung über „Collateral“. Mit dem Spektrum des Lebens kokettieren zu wollen- das ist e sicherlich nicht, was sich hier niederschlägt und worauf der Film möglicherweise insistiert. Und auch nicht eine gewisse bedrohliche Extremsituation, in der sich Jäger und Gejagter wiederfinden. Action mit der Jagd über Freeways, in U-Bahnen, U-Bahnröhren oder auf Rolltreppen erinnern doch stark an „Mission Impossible“ (Regie: Brian DE PALMA, 1996, „Mission Impossible II, Regie: John WOO, 2000). Ob damit „Dauerspannung“ markiert wird, ist und bleibt eine Frage der Definition.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eine fast alltägliche Geschichte im Film hier zu einem gewissen menschlichen Drama umfunktioniert werden soll. Alleine schon die Ansätze der zugespitzten spannungsfördernden Elemente, sollen womöglich den Eindruck vermitteln, dass hier mühsam, zeitraubend und nervenzerrend Männerangst und Männerbedrohung beschrieben wird. Wenn dann zusätzlich die abgegriffene klaustrophobische Erzählung ins Spiel kommt, die sich im Inneren eines Taxis abspielt, fragt man sich, ob jener Selbstbestimmungswunsch, der sich durch dieses Genre zieht, heute noch eine Besonderheit von Filmproduktionen sind. In diesem Sinne ist dieser Film einmal mehr auf CRUISE zugeschnitten, der selbstverständlich auch die Konfliktszenen mit Drei-Tage Bart, fieser Mine, Laptop, perfekt sitzendem Anzug und ständiger Normverletzung beherrscht. Das Konzept dieser männlichen Produktion scheint einmal mehr aufzugehen: CRUISE steht mit an vorderster Front der traditionellen Rollenklischees in dieser Männerdomäne. Max ist zunächst der Naivling, der sich mit Postkartenidyllen zufrieden gibt, im Taxis eine flüchtige Begegnung zur Rechtsanwältin Annie (Jada PINKTETT- SMITH) entwickelt, auf die Vincent ebenfalls angesetzt ist, dann aber Komplize des filmischen Systems wird. Und zwar dadurch, dass er sich der großkalibrigen Autorität von Vincent unterwirft, gelenkt und kontrolliert. So scheint der Film nur wenige logischen Zusammenhänge zu schaffen; denn im wesentlichen versucht er nur die exemplarische Situation von Vincent wiederzugeben.

Annie, die ebenfalls auf der Todesliste von Vincent seht, und vor dem Max sie warnen will, ist nur nur Füllsel im Film, Zuträger für die gedankenspielerische Weltausdeutung. Die Welt des modernen Action-Film ist aus einem ähnlichen Stoff wie das Leben der Menschen: Medienprägung wird im Menschenbild und Rollenverhalten berücksichtigt. Ein Film wie „Collateral“ trifft eben auf dieses medienerfahrene Publikum, das mit ihren Helden im Kino bereits durch alle Höhen und Tiefen gegangen ist. Der Zuschauer selbst kommt in diesem Rollenverhalten auch vor; denn er wird beständig mit dem romantisierenden Duell Mann gegen Mann (vgl. auch „Enemy At The Gates“, Regie: Jacques ANNAUD, 2001) konfrontiert. Martialisch ist dann auch die Flächenhaftigkeit des Werks. Sympathie- und Antipathieträger werden sich im Publikum etwa gleichmäßig verteilen dürfen. Deshalb ist Annie auch ein gewisser Knotenpunkt. Sie wird zwar von der höchst suggestiv angelegten Handlung angesaugt, ist aber nichts anderes als ein Montagestück, das bestens dort hineinpasst. Zwar ist „Collateral“ nicht „Collateral Damage“ (Regie: Andrew DAVIS, 2001) mit Arnold SCHWARZENEGGER, der seinerzeit wegen der Anschläge vom 11. September 2001 auf den 21. 2. 2002 verschoben wurde, doch der dortige spielerische Sieg des Besseren, weil Stärkeren, setzt sich auch hier eigentümlich fort, selbst wenn am Ende die Theatralik siegt. Das Taxi wird zur psychoanalytischen Sicht, die aber nicht verfängt, weil man CRUISE die ungeordneten Bilder des Killers Vincent nicht abnimmt. Er will Coolness, ausstrahlen, Misstrauen, drohend wirken, lauernd sein, geduldig und ohne Hast. Ihn treibt aber nur sein Minenspiel. Eigentlich konnte er all diese Elemente nur in „Magnolia“ (Regie: Paul THOMAS-ANDERSEN, 2000) und „Eyes Wide Shut“ (Regie: Stanley KUBRICK, 1999) verwirklichen. Hier ist er wiederum, wie in vielen anderen Filmen auch, ein aus dem Videoclip entstehender Fighter, der mit seinem eigentlichen Grundwiderspruch als Killer auch Moral zu besitzen, nichts rechtes anzufangen weiß. Perfekt hatte diese Rolle eigentlich nur Tom HANKS als Auftragskiller Michael Sullivan in „Road to Perdition“ (Regie: Sam MENDE, 2000) ausgefüllt.

Das der Film auf konventionelle Weise aufgelöst wird, mag hier nicht überraschen. Die Verfolgungsjagd am Ende kommt einem vor wie die Oase nach unzähligen Marschtagen durch die Wüste. Endlich hat der nichtssagende Dialogsatz im Film ein Ende. Nur einmal kommt so etwas wie eine beruhigende Stimmung und surreale Szenen zugleich auf. Auf der Jagd nach dem Killer fangen Hubschrauber das nächtliche Los Angeles weit weg vom eigentlichen Geschehen ein. Diese Bilder sind vortrefflich. Als ein Kojote durch die Straßenschluchten streift, zeigt diese Stadt dadurch in gewisser Weise auch ihre Absurdität. Ob „Collateral“ „einer der (ent-)spannendsten Thriller seit langem ist“ (so Elke BANKERT in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ vom 24. September 2004), muss jede/r für sich entscheiden. Filmisch gesehen ist der traditionelle Supermarkt des Thrillers geradezu eine Fundgrube für immer neue Spektakel. Doch gegenüber diesen gradlinigen Konstruktionen ist Skepsis angebracht. Die Geschichte des Films ist reich an Utopien, aber auch reich an Visionen und Konzepten, die für dieses Medium nur schädlich sein können.

Denn am Ende stehen die, die es entworfen haben. Ihr Verwertungsinteresse, das eine immer weitere Entfaltung der technischen Systeme auslöst, stellt im Kino die Welt zu, so dass eine wirkliche Welt dort nur noch als Schatten herumgeistert.
Das „Leben aus zweiter Hand“ (Lothar MIKOS) erweckt Misstrauen. Die Illusionierung des Zuschauers wird durch das Dabeisein mit der Übertragung des Geschehens in abgeschottete Orte audiovisuell gesteigert. Diese gefälschte Realitätsabbildung mutiert zu einer synthetischen Raumsuggestion (Taxi), die wie eine Irrfahrt anmutet.

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